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Hafenkooperation: Rudern alle in dieselbe Richtung?

Kaum ein Gespräch über die maritime Wirtschaft in Deutschland kommt derzeit ohne die Begriffe „Nationale Hafenstrategie“ und „Hafenkooperation“ aus. Den Entwicklungsstand dazu bewerten die Hafenverantwortlichen in den Bundesländern und die Markteilnehmer jedoch recht unterschiedlich. Einig sind sie sich aber darin, dass Berlin entscheidenden Einfluss darauf hat, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit zukünftig gerudert wird. Mit ins Reisegepäck wollen die Standorte vor allem ihre Universalhafen-Qualitäten packen.

Fotos: iStockphoto/Hero Image, JadeWeserPort Wilhelmshaven (2x), xShinoPhotography, HHM/Michael Lindner, Daniel Reinhardt, BHV, Timo Jann, bremenports, Jörg Sarbach
Vor diesem Hintergrund bekennt Olaf Lies, niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung: „Ich werbe leidenschaftlich gern für eine echte norddeutsche Hafenkooperation.“ Denn um im globalen Wettbewerb mittel- und langfristig bestehen zu können, sei es seiner Ansicht nach erforderlich, dass alle Beteiligten die vorhandenen Infrastrukturen, Ressourcen und Ideen bündeln und gemeinsam effizient nutzen. Beim Blick in den Rückspiegel und insbesondere auf die Häfen in Antwerpen und Rotterdam gibt sich Lies allerdings auch selbstkritisch: „Möglicherweise haben wir in der Vergangenheit zu viel Energie investiert, Nabelschau zu betreiben. Wir müssen uns darauf konzentrieren, wie wir als Hafen Norddeutschland der europäischen Konkurrenz begegnen und unsere Position gemeinsam stärken können. Von daher ist es an der Zeit, das alte Kirchturmdenken endgültig zu überwinden und eine intensivere Kooperation anzustreben. Letztlich sitzen wir alle im selben Boot.“

Als ein Beispiel dafür, dass auch in Deutschland eine gelebte Hafenkooperation möglich sei, führt er den Container-Tiefwasserhafen JadeWeserPort als Gemeinschaftsprojekt der Bundesländer Niedersachsen und Bremen an. Ebenso verweist er auf den Hafenentwicklungskatalog, der sich seit 2012 als Abstimmungsplattform für die norddeutsche Hafenpolitik etabliert habe, und auf die gemeinsamen internationalen Messeaktivitäten der Häfen, die über die Kommunikations- und Marketingplattform „German Ports“ erfolgen. Gleichzeitig stellt Lies klar: „Eine intensivere norddeutsche Hafenkooperation impliziert jedoch keine staatliche Ladungslenkung und kann allein nicht die Antwort sein.“

Die niedersächsischen Seehäfen können seiner Ansicht nach vielfältige Stärken und Kompetenzen mit in den Kooperationsprozess einbringen. „Jeder Standort hat unterschiedliche Schwerpunkte“, betont der Minister. So liege beispielsweise in Wilhelmshaven der Fokus auf Containerschifffahrt und Energie, während sich in Stade vieles um LNG und Chemieprodukte drehe. Parallel dazu sei Cuxhaven bei der Offshore-Windenergie vorn dabei, während Brake auf Agrarprodukte und Emden auf Fahrzeuge, Zellulose und Holzprodukte setze. „In Summe stellen die niedersächsischen Seehäfen schon heute einen großen deutschen Universalhafen dar“, resümiert Lies entsprechend.

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Jörg Buck, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Italienischen Handelskammer in Mailand

„Letztlich sitzen wir alle im selben Boot.“

Olaf Lies, niedersächsischer Minister für Wirtschaft,
Verkehr, Bauen und Digitalisierung

Deutschlands einziger Container-Tiefwasserhafen, der JadeWeserPort, wird aufgrund finanzieller Beteiligung der Länder Bremen und Niedersachsen von vielen als Paradebeispiel für eine gelungene Kooperation angeführt.

Dicker Wunschzettel aus Bremen

Für Dr. Claudia Schilling, Bremens Senatorin für Wissenschaft und Häfen, ist die angestrebte Hafenkooperation eine wichtige Stellschraube, an der zwingend gedreht werden sollte: „Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Hafenstandorte stärker zusammenarbeiten und innovative und nachhaltige Lösungen anbieten.“ Dabei sieht sie keinesfalls nur die Politik in der Pflicht. „Politik hat die Aufgabe, für eine stärkere Zusammenarbeit der Häfen den Rahmen vorzugeben und die Bedeutung des Themas bei allen wichtigen Partnern zu verankern. Gleichzeitig brauchen wir für eine stärkere Kooperation aber auch die Unterstützung aller Akteure in diesem Feld. Dazu gehören für mich auf jeden Fall die Hafenwirtschaft und Akteure wie die Industrie- und Handelskammern“, so Schilling.

Mit den bremischen Häfen könne man aus ihrer Sicht „einen der wichtigsten Universalhäfen Europas“ bieten, der zum einen durch seine breit aufgestellte Ladungsgüterpalette von Containern über Autos bis hin zu Massengütern und Projektladung punkte. Zum anderen arbeite man im kleinsten Bundesland Deutschlands gerade intensiv daran, die dortigen Standorte für die Zukunft fit zu machen. „Wir erneuern die Containerkaje auf 2,6 Kilometern, damit die großen Containerschiffe weiterhin wettbewerbsfähig abgefertigt werden können“, nennt sie exemplarisch einen wichtigen Baustein der bremischen Hafenpolitik. Und mit Blick auf die aktuelle Weltlage und die Mitte September in Bremen stattfindende Maritime Konferenz ergänzt sie: „Die Bedeutung der Häfen für die wirtschaftliche Zukunft des Landes war nie höher als heute. Ich hoffe, dass die Bundesregierung dieser Entwicklung verstärkt Rechnung trägt und die Hafenstandorte künftig gemäß ihrer Bedeutung unterstützt. Bislang fördert der Bund alle deutschen Häfen mit insgesamt 38 Millionen Euro pro Jahr. An diese Summe wünsche ich mir hinten dran eine Null.“

Hamburg sieht „Effizienzgewinne“ als Antriebsfeder

Einige Kilometer weiter nordöstlich steht Dr. Melanie Leonhard, Hamburgs Senatorin für Wirtschaft und Innovation, gemeinsamen Entwicklungsschritten positiv gegenüber: „Hamburg begrüßt den Prozess zur Erstellung einer Nationalen Hafenstrategie nachdrücklich und bringt sich aktiv in die Erarbeitung ein. Wir sehen die große Chance, die nationale Hafenpolitik für eine erfolgreiche Zukunft neu aufzustellen.“ Dabei hat sie gelebte Kooperationen auf zahlreichen Ebenen ausgemacht und führt dafür als Beispiele insbesondere gemeinsame Digitalisierungsprojekte an. „Dort, wo unmittelbar Effizienzgewinne zu heben sind, erfolgt eine Zusammenarbeit in den meisten Fällen schon heute“, so Leonhard. Dann ergänzt sie: „Es wird aber für die kommenden Jahre auch von Bedeutung sein, die Rolle der Häfen für den Außenhandel und für die gesamte Bundesrepublik in einer Nationalen Hafenstrategie konkreter zu beschreiben, um so ein bundesweit klareres Vorgehen zu gewinnen. Daraus können weitere Ansätze der Zusammenarbeit erwachsen.“ Auch sie stellt in diesem Kontext die Vorteile heraus, die ihr Standort mit einbringen könne: „Hamburg ist der wichtigste deutsche Seehafen. Als Universalhafen mit herausragender Hinterlandanbindung vereint er logistische Vorteile damit, zugleich auch Industrie- und Produktionsstandort zu sein.“

Jörg Buck, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Italienischen Handelskammer in Mailand

„Die Bedeutung der Häfen für die wirtschaftliche Zukunft des Landes war nie höher als heute.“

Dr. Claudia Schilling, Bremer Senatorin
für Wissenschaft und Häfen

Jens Tarnowski, Regional CEO Europe bei Hellmann

„Wir sehen die große Chance, die nationale Hafenpolitik für eine erfolgreiche Zukunft neu aufzustellen.“

Dr. Melanie Leonhard, Hamburgs Senatorin
für Wirtschaft und Innovation

Container prägen das Bild im Hamburger Hafen. Im Jahr 2022 gingen dort 8,3 Millionen TEU über die Kaikanten.

„Wettbewerb auf engstem Raum macht wenig Sinn“

Das fest im Tagesgeschäft verankerte Akteure oftmals einen etwas anderen Blickwinkel auf die Thematik haben, liegt in der Natur der Sache. So sind für Christoph Holtkemper, Vorstandsmitglied der Bremischen Hafen- und Logistikvertretung (BHV) Kooperationen nur „eine mögliche Antwort, um im Wettbewerb besser zu bestehen“. Dabei verweist der Manager darauf, dass die Häfen an Elbe und Weser zwar seit jeher von einem starken Wettbewerbsgedanken geprägt seien, dass aber beispielsweise Verlader aus Asien die deutsche Küste oftmals als eine zusammenhängende Wirtschaftsregion betrachteten.

„Deshalb macht ein Wettbewerb auf engstem Raum, vor allem im Containerumschlag, aus meiner Sicht wenig Sinn“, so Holtkemper. Überdies werde der Kooperationsgedanke bereits seit Jahren im Mittelstand in Bremen und Bremerhaven gelebt und habe sich von dort aus auch in anderen Häfen erfolgreich etabliert. „Ich kann hier vor allem für die Mitgliedsunternehmen der BHV sprechen, die ihre logistischen Leistungen nicht nur vor der Haustür erbringen, sondern mit ihrem Know-how längst auch in anderen Häfen erfolgreich Fuß gefasst haben“, so Holtkemper. Als ein weiteres Beispiel für eine gelungene Kooperation sieht auch er den JadeWeserPort. „Als einziger deutscher Hafen ist er in der Lage, auch voll abgeladene Großcontainerschiffe abzufertigen, was eben an den Terminals an Elbe und Weser nicht möglich ist. Im Rahmen einer norddeutschen Hafenkooperation kommt ihm daher eine zentrale Rolle zu“, macht Holtkemper deutlich. Die Rolle der Politik ist für ihn dabei klar definiert: „Die Bundesregierung muss die neutrale Kooperation übernehmen und deutlich mehr Geld für die Infrastruktur der deutschen Häfen zur Verfügung stellen.“

Kein Eingriff in marktwirtschaftliche Mechanismen

Für Eduard Dubbers-Albrecht, Präses der Handelskammer Bremen, ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation der norddeutschen Seehäfen, dass „der gemeinsame Wille auch über Partei- und Landesgrenzen hinweg vorhanden ist“. Mit Blick auf ein mögliches Zusammengehen der beiden großen Containerterminalbetreiber Eurogate und HHLA, das derzeit offiziell wegen des Kriegs in der Ukraine und anhaltender Logistikprobleme auf Eis gelegt ist, sagt er: „Aus Sicht der Handelskammer Bremen sollten ausschließlich unternehmerische Entscheidungen den Weg für eine solche Kooperation ebnen. Eine direkte politische Einflussnahme würde einen Eingriff in marktwirtschaftliche Mechanismen bedeuten.“ Parallel dazu sieht auch er eine finanziell stärkere Beteiligung Berlins an den Hafenkosten als zwingend erforderlich an. „Die deutschen Seehäfen liegen im außenwirtschaftlichen und energiepolitischen Interesse Deutschlands und haben deshalb nationale Bedeutung“, begründet Dubbers-Albrecht diese Forderung. Über den aktuellen Stand der Hafenkooperation in Deutschland sagt er: „Das ist hierzulande bereits gelebte Realität, auch wenn diesbezüglich sicherlich noch Luft nach oben ist.“ Für einen Entwicklungsschub in diesem Prozess könnte aus seiner Sicht die Einrichtung einer gemeinsamen Koordinierungsstelle der Küstenländer für die Angelegenheiten der norddeutschen Seehäfen sorgen. (bre)

Jens Tarnowski, Regional CEO Europe bei Hellmann

„Dem JadeWeserPort kommt eine zentrale Rolle zu.“

Christoph Holtkemper, Vorstandsmitglied der Bremischen Hafen- und Logistikvertretung (BHV)

Mikkel E. Andersen, Geschäftsführer der EUROGATE Container Terminals

„Es ist sicherlich noch Luft nach oben.“

Eduard Dubbers-Albrecht, Präses
der Handelskammer Bremen

Mit seinem Areal von über einer Million Quadratmetern gilt der Neustädter Hafen in Bremen als größtes Terminal für Stückgut in Europa.

Im Sinne einer norddeutschen Hafenstrategie

Die Staats- und Senatskanzleien, die Wirtschafts- und Umweltminister aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie der Bund haben sich im Dezember 2022 auf ein gemeinsames Vorgehen beim Sedimentmanagement verständigt. Dabei wurde festgelegt, dass neben den bisherigen Verbringstellen zunächst eine erhöhte Menge von Sediment in die Nordsee (Tonne E3) verbracht werden soll. Die Durchführung dieser Maßnahme erfolgt, bis eine Folgegenehmigung durch Schleswig-Holstein ab Mitte dieses Jahres ergeht. Diese Lösung soll die Verbringung im Bereich der Außen-elbe zunächst ersetzen. Dazu sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies im Dezember 2022: „Es ist wichtig, dass wir die niedersächsische Position deutlich gemacht haben: Wir wollen und dürfen Hamburgs Sedimentprobleme nicht zu unseren machen. Der Hamburger Hafen ist aber im Sinne der norddeutschen Hafenstrategie für Niedersachsen von großer Bedeutung. Deshalb ist es unser zentrales Anliegen, einen nachhaltigen Weg einzuschlagen, von dem alle Seiten profitieren.“ Gegenüber dem LOGISTICS PILOT bestätigte Lies jüngst noch einmal: „Die Vereinbarung zum Sedimentmanagement in der Tideelbe war ein wichtiger Schritt. Das unterstreicht, dass die betroffenen Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gemeinsam mit dem Bund eine tragfähige, langfristige Schlicklösung in der Elbe erarbeiten wollen. Hierzu gab es bereits ein Treffen auf Arbeitsebene.“ (bre)

Die Baggerarbeiten an der Elbe gehen weiter, um Hamburgs Hafen gut erreichbar zu halten.