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Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

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Integration bleibt anspruchsvoll. Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten, etwa wie die maritime Wirtschaft und Logistik in Bremen und Niedersachsen neue Wege für Geflüchtete öffnet und diese sich in den Arbeitsmarkt integrieren.

Fotos: Freepik, PRIVAT, J. Müller
Wie die Logistik in der Region für Flüchtlinge ein zentraler Einstiegskanal in Arbeit sein kann, zeigt das Beispiel Wilhelmshaven: Zum Jahresende 2024 waren laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Verkehrs- und Logistikberufen 3.037 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gemeldet, davon 130 Personen im Kontext von Fluchtmigration – ein Anteil von 4,3 Prozent.

Das liegt deutlich über dem Stadtdurchschnitt von 2,1 Prozent und bedeutet: Jeder fünfte aller in Wilhelmshaven beschäftigten Geflüchteten arbeitet in diesem Berufsfeld. Die größte Zahl entfällt auf die Lagerwirtschaft, wo 92 Beschäftigte mit Fluchthintergrund (7,4 Prozent) arbeiten. Im Lkw-Güterverkehr sind es sechs Personen (2,3 Prozent). In der Gruppe der Kranführer und Bediener von Hebeeinrichtungen sind ebenfalls sechs Personen mit Fluchtkontext (1,5 Prozent) tätig.

Dass das so ist, liegt auch an der Arbeitsagentur. „Wir bieten neben unserer Beratung zahlreiche Möglichkeiten zur Qualifizierung, Sprachförderung und Weiterbildung an“, berichtet Katharina Schmauder, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmshaven. „Und die Unternehmen unterstützen wir bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden, bei der Rekrutierung und mit Fördermitteln wie dem sogenannten Eingliederungszuschuss.“

Wie wichtig die Rolle der Unternehmen dabei ist, geflüchtete Menschen auszubilden, einzustellen und zu fördern, zeigen einige Beispiele. Bei Kühne+Nagel in Bremen ist etwa seit rund drei Jahren die aus Odessa stammende Ukrainerin Olga Syvak als Sea Logistics Operational Care Specialist, Documentation tätig. Nach ihrem Master in Logistic and Transport Management an der Odessa National Maritime University arbeitete sie bis Kriegsbeginn im Bereich Landtransport.

Porträt von Olga Syvak in einem Polaroidformat, sie schaut über ihre rechte Schulter nach hinten in die Kamera und läuft auf einer grünen Wiese

Englisch als Arbeitssprache erleichtert den Berufseinstieg

Den Weg zu Kühne+Nagel fand sie ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft in Deutschland über einen privaten Kontakt ihres Mannes, der ihr vorschlug, sich dort zu bewerben. „Ich hatte Glück, dass ich anfangs auf Englisch arbeiten konnte“, erzählt sie in fließendem Deutsch, das seit einem Jahr ihre Arbeitssprache ist. Auch inhaltlich ist ihr Aufgabenbereich gewachsen. „Ich arbeite jetzt noch mehr operativ, nehme Buchungen vor und kümmere mich um die Zollanmeldung“, berichtet Syvak, die auf jeden Fall in Deutschland bleiben möchte. Besonders wertvoll für ihre Integration seien das erfahrene Team und die Unterstützung gewesen, die sie dort erfahren habe. Neuankommenden rät sie, zuerst die deutsche Sprache zu lernen.

Porträt von Marharyta Redvanska in einem Polaroidformat, offenbar ein Selfie, im Hintergrund ist ein See in herbstlicher Stimmung zu sehen

Für ihre Kollegin Marharyta Redvanska, die auch aus Odessa stammt und in der gleichen Position in einer Parallelabteilung in Bremen tätig ist, war die Logistikbranche nach zwei Masterabschlüssen an der Odessa National Maritime University, einmal in Logistik, einmal in Transportmanagement, ebenfalls kein Neuland. Zusammen mit ihrem Mann und der damals knapp einjährigen Tochter floh sie Ende März 2022 zu den Eltern ihres Mannes nach Niedersachsen. Über ein Linkedin-Profil wurde ihr Hilfe bei Bewerbungen angeboten – Kühne+Nagel sei das erste von mehreren großen Logistikunternehmen gewesen, das ihr antwortete.

Auch Redvanska ist inzwischen stärker operativ tätig und spricht so gut Deutsch, dass sie es neben Englisch auch beruflich immer häufiger einsetzt. „Man sollte keine Angst davor haben, Deutsch zu sprechen“, rät sie. Sich nicht nur unter Flüchtlingen des Heimatlands zu bewegen und damit die Komfortzone zu verlassen, sei auch hilfreich. Und: „Man sollte das alte Leben nicht mit dem neuen vergleichen. In der Ukraine sagen wir: ‚Gott schenkt jemandem Glück, der keine Angst vor Herausforderungen hat.‘“

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Porträt von Shuayb Haydari in einem Polaroidformat, er trägt ein Basecap und steht vor einer grünen Hecke

Tipps und Unterstützung für den Einstieg

Anders als die beiden Ukrainerinnen stehen Shuayb Haydari aus Afghanistan, der im August eine Ausbildung als Metallbauer für Konstruktionstechnik bei J. MÜLLER angefangen hat, und Gvantsa Lukhava aus Georgien, die im zweiten Ausbildungsjahr zur Fachinformatikerin für Anwendungsentwicklung steht, noch ganz am Anfang ihres Berufswegs.

„Ich bin durch meinen Jobcoach auf J. MÜLLER aufmerksam geworden. Er hat mir das Unternehmen empfohlen, und nachdem ich selber über die Ausbildung recherchiert habe, wurde mein Interesse geweckt“, berichtet Haydari. Lukhava lernte das Ausbildungsangebot bei J. MÜLLER über ihre Deutschlehrerin kennen, die sie auch bei der Bewerbung unterstützte. „Da ich mich schon immer für Informatik interessiere und die Kombination von IT und Logistik besonders spannend finde, habe ich mich entschieden, hier meine Ausbildung zu beginnen.“

Beide wissen allerdings auch um die Schwierigkeiten der Integration. „Am Anfang war die Sprache eine große Herausforderung, vor allem Fachbegriffe im Bewerbungsprozess“, erzählt Lukhava. Sie habe jedoch schnell gemerkt, dass ihr Geduld und die Unterstützung anderer helfen, diese Hürden zu meistern. „Bewerbungsschreiben waren für mich am schwierigsten, weil man in meiner Heimat für handwerkliche Berufe fast keine Bewerbungen braucht. Man muss dort nur sein Können beweisen“, berichtet Haydari.

Auf die Frage, was ihnen dabei hilft, sich im Unternehmen einzuleben, unterstreichen beide die Bedeutung ihrer Kollegen. „Mein Team hilft mir sehr dabei, indem es mich unterstützt, mir viel beibringt und meine Fragen beantwortet“, sagt Haydyari und betont: „Zusammenhalt und Integration sind wichtig.“ Lukhava stellt „die offene Art meiner Kolleginnen und Kollegen“ heraus, durch die sie sich von Anfang an willkommen gefühlt habe.

Für Ihre berufliche Zukunft haben sich beide ehrgeizige Ziele gesetzt: Haydari will nach seiner Ausbildung weiter bei J. MÜLLER arbeiten und dann seinen Meister machen. Lukhava will nach ihrer Lehrlingszeit ein Informatikstudium beginnen. (cb)

Porträt von Gvantsa Lukhava in einem Polaroidformat, sie steht vor einer grünen Hecke