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Besser bilden in Buxtehude

Mit den beiden neuen Schiffsführungssimulatoren will die NSB Group aus der niedersächsischen Hansestadt Buxtehude bei Hamburg nicht nur die Besatzungen der von der Bereederungsgesellschaft gemanagten Frachter trainieren, sondern auch die Crews anderer Reedereien.

Der Simulator befindet sich in einem charakteristischen Gebäude auf dem Gelände der NSB, in dem auch andere Seminarräume, das firmeneigene Reisebüro und die Kantine untergebracht sind.

Fotos: Claudia Behrend, Daniela Ponath

Ganz schön echt fühlt es sich auf der Kommandobrücke an. Schließlich stammt sie von einem nicht ausgelieferten Containerschiff. Wer hier selbst das Ruder übernimmt, vergisst daher schnell, dass es sich um den neuen Schiffssimulator der Reederei NSB in Buxtehude handelt. Zudem ist Konzentration gefragt, denn die gestellte Aufgabe hat es nautisch in sich: Das Containerschiff „Buxtehude“ der Reederei CMA CGM soll sicher durch die Straße von Messina gesteuert werden.
Die 32 Kilometer lange und zwischen drei und acht Kilometer breite Meerenge, die das Tyrrhenische Meer mit dem Ionischen Meer verbindet, wurde für das Übungsszenario gewählt, weil hier auch in der Realität reger Schiffsverkehr herrscht. Im Simulator wurden daher einige weitere Schiffe einprogrammiert: An Backbord taucht plötzlich ein kleineres Frachtschiff auf, an Steuerbord eine Barge. Und die „Buxtehude“ ist mit 21 Knoten ziemlich schnell unterwegs.

Gedrosselt werden darf die Hauptmaschine aber nicht. „Nur mit solch hoher Geschwindigkeit sind schnelle Manöver möglich, wie sie hier erforderlich sind“, erläutert Morten Magnil, Lead Instructor der NSB Academy. Recht hat er, denn die wenigen Sekunden Ablenkung durch das kurze Gespräch waren lang genug, als dass plötzlich zu den beiden Frachtern längsseits auch noch eine Fähre die Meerenge queren will. Und war das vorausfahrende Kreuzfahrtschiff nicht eben gerade noch langsamer und auf einem anderen Kurs unterwegs?

Anders als Laien wissen die Lotsen, die in der realen Straße von Messina obligatorisch die Navigation übernehmen, sehr genau, dass hier zudem unabhängig vom regen Schiffsverkehr auch nautisch komplexe Bedingungen herrschen. „Selbst bei gutem Wetter und geringem Wellengang sind die Strömung und Unterströmung sowie die Gezeiten sogar für erfahrene Offiziere anspruchsvoll“, so Magnil. „Denn wir trainieren hier immer ein Level über den realen Anforderungen.“ Hinzu kommt, dass das Manövrieren durch schlechte Sicht und hohen Wellengang erschwert werden kann.

Wetterwechsel auf Knopfdruck

Im Simulator ist solches Wetter binnen Sekunden sogar auf Knopfdruck möglich: Das Meer und der Himmel färben sich dann von Blau in ein trübes Grau, die Wellen werden größer und bilden Schaumkronen, und dann kommt auch noch Schneeregen hinzu, der gegen das Fenster peitscht. Die Sichtweite ist deutlich eingeschränkt.

„Vergangenes Jahr wurde uns klar, dass der Simulator, an dem seit 2007 im eigenen Maritimen Trainingszentrum nautische Offiziere weitergebildet werden, unbedingt ein Update benötigt“, berichtet Magnil. „Dafür braucht es allerdings zunächst ein Konzept und einen Anforderungskatalog.“ Mit der Planung wurde 2022 begonnen, die Umrüstung für das technische Update begann im Mai 2023 und dauerte rund fünf Monate. Seit Dezember ist das System voll funktionsfähig und wurde seitdem aufwendig getestet. Rund 600.000 Euro hat NSB investiert – für mehr Situationsbewusstsein der Nautiker.

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Schlechtes Wetter gibt es im Simulator auf Knopfdruck.
Die beiden Schiffsführungssimulatoren mit einem Sichtfeld von 270 beziehungsweise 180 Grad sind mit moderner IT ausgestattet, wie sie an Bord zum Einsatz kommt, darunter dem elektronischen Navigationsinformationssystem „ECDIS“ (Electronic Chart Display and Information System) sowie Radar- und Positions-Anwendungen. Zudem steht ein neues Soundsystem zur Verfügung. Simuliert werden können nicht nur die Straße von Messina, sondern alle Fahrtgebiete weltweit.

Hinterlegt sind derzeit rund 50 Containercarrier. Diese haben unterschiedliche Größen, da sich diese stark auf das Manövrierverhalten auswirken, ebenso wie andere Schiffstypen. „Im Programm müssen jeweils das individuelle Unterwassermodell und die hydrodynamischen Eigenschaften hinterlegt sein, damit die Simulation der Realität entspricht“, erläutert Magnil. So reagiert etwa ein Schiff mit einer Kapazität von 1.868 Boxen ganz anders als ein ultragroßer Containercarrier mit Platz für bis zu 24.000 TEU.

V. l.: Lead Instructor Morten Magnil, Marine Instructor Ankit Archarya, Trainee Melanie Vidal Maia und Vice President People & Talent Development Caroline Baumgärtner

Fakten

NSB Group

Gründung: 1982
Firmensitz: Buxtehude bei Hamburg
Standorte: Singapur, Philippinen, Korea und China
Geschäftsfelder: klassisches Technical Management, unter anderem Commercial Management, Crewmanagement und Training, sowie Insurance Services, Engineering Services und Neubau
Schiffe: derzeit 49, davon 46 Containercarrier zwischen 1.000 und 8.500 TEU, und 3 Tanker
Mitarbeiter: rund 1.100 auf See und 160 Mitarbeiter an Land

Perfekte Illusion auf der Kommandobrücke

Training und Fortbildung von Offizieren und Kadetten

Neben den selbstgemanagten Schiffen sollen künftig auch die anderer Reedereien hinzukommen, und damit wird ein weiteres Geschäftsfeld entstehen. Wer dem Team der NSB Academy die Spezifikation für ein bestimmtes Schiff gibt, muss für die Programmierung rund zwei Monate einplanen, bevor mit dem Training begonnen werden kann. Genutzt wird der Simulator dabei gleichermaßen für die Fortbildung von Offizieren, für Briefings und Einweisungen sowie vor Beförderungen, zum Beispiel zum Kapitän. Die Kurse richten sich sowohl an das maritime Personal der NSB als auch an Offiziere anderer Unternehmen.

Mithilfe der beiden neuen Simulatoren können nun erstmals verschiedene Schulungszentren so miteinander verbunden werden, wie es bisher nicht möglich war: „Innerhalb eines von uns entwickelten Übungsszenarios können die Teilnehmer von verschiedenen Orten und in variierenden Rollen teilnehmen. So ermöglichen wir Trainingseinheiten in Echtzeit“, erläutert der Instruktor. Ein Beispiel hierfür ist die Ausbildung von Kadetten, die auf diese Weise sowohl in Buxtehude als auch von Schulungspartnern im eigenen Land wie den Philippinen ausgebildet werden können.

„Wichtig ist uns, vorab konkrete Ziele zu vereinbaren, um ein passendes Lernkonzept auszuarbeiten“, sagt Caroline Baumgärtner, Managerin der Academy. „Unsere Trainings dauern typischerweise zwischen drei und fünf Tage und beinhalten zehn verschiedene praxisnahe Szenarien, etwa zu Beinahekollisionen oder zu anspruchsvollen Küstenpassagen und dabei immer mit Blick auf eine fundierte Entscheidungsfindung in komplexen Situationen.“

Neben dem nautisch-technischen Wissen wird dabei besonders die Kommunikation untereinander trainiert – sowohl auf der Brücke als auch mit den verschiedenen Akteuren in den angeschlossenen Simulatoren. Schließlich haben Analysen gezeigt, dass viele gefährliche Situationen an Bord auf mangelhafte Kommunikation und Koordination und nicht auf technisches Versagen oder fehlende Fähigkeiten zurückzuführen sind.

Neben Sicherheitsstandards geht es aber auch um die kulturellen Werte der NSB wie die Zusammenarbeit im Team, um Gemeinschaftssinn und soziale Verantwortung. Die Trainings werden per Video und Audio aufgezeichnet, sodass sie hinterher für die Nachbesprechung in der gewünschten Geschwindigkeit abgespielt werden können. Besonders stolz ist man in Buxtehude, dass die neuen Simulatoren den Standard DNV-ST-0029 der Klassifikationsgesellschaft DNV für maritime Ausbildungszentren erfüllen – erfolgreich bestätigt für ein weiteres Jahr durch das Audit im Dezember. (cb)

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