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Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

„Der KV braucht Planungssicherheit“

Ob fehlende Gelder für das veraltete Schienennetz, Streckensperrungen oder steigende Kosten – der kombinierte Verkehr (KV) hat gegenwärtig mit einigen Problemen zu kämpfen. Niels Riedel, Leitung Vertrieb bei Eurogate Intermodal, und Philipp Best, Leitung Vertrieb bei der TFG Transfracht, sehen jedoch mehr Lichtblicke als dunkle Wolken am Horizont.

Fotos: istockphoto.com, Eurogate Intermodal, TFG Transfracht 2022

Portrait von Niels Riedel

„Das deutsche Schienennetz ist in einem suboptimalen Zustand.“

Niels Riedel, Leitung Vertrieb bei Eurogate Intermodal

LOGISTICS PILOT: Über Jahre hinweg wurden dem KV die höchsten Wachstumsraten im Landverkehr vorhergesagt, zumindest prozentual gesehen. Die Realität zeigt inzwischen jedoch eine rückläufige Entwicklung. Woran liegt das?

NIELS RIEDEL: Bei Eurogate Intermodal sehen wir keine rückläufige Entwicklung im maritimen kombinierten Verkehr: Derzeit verzeichnen wir trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Schwäche eine sehr gute Auslastung, insbesondere im Importbereich. Selbstverständlich beobachten wir die Marktentwicklung genau und passen unser Angebot flexibel an.
PHILIPP BEST: An den positiven Wachstumserwartungen wird weiterhin festgehalten – das bestätigen auch unsere Zahlen bei TFG: Unser Geschäft entwickelt sich gut. Dennoch darf man die konjunkturellen Schwankungen der letzten Jahre nicht außer Acht lassen. Ereignisse wie die Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise haben massive Auswirkungen auf die globalen Lieferketten gehabt – und wirken bis heute nach. Hinzu kommen weitere Herausforderungen wie steigende Kosten, anhaltender oder wachsender Preisdruck und der zunehmende Fachkräftemangel, die die gesamte Branche betreffen. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen gelingt es uns, unser Angebot in unserem AlbatrosExpress-Netzwerk stabil zu halten und kontinuierlich auszubauen. Ein Beispiel ist unsere erfolgreiche Anbindung des JadeWeserPorts mit täglichen Abfahrten zu und von 25 Terminals in der DACH-Region.

LOGISTICS PILOT: Sind Infrastrukturprobleme und hohe Energiekosten insbesondere im schienengebundenen Verkehr die größten Probleme des KV?

RIEDEL: Das deutsche Schienennetz ist derzeit in einem suboptimalen Zustand – darum wurden Maßnahmen und ein neues Regierungspaket auf den Weg gebracht. Wir gehen davon aus, dass uns die infrastrukturellen Herausforderungen und ihre Auswirkungen die nächsten Jahre begleiten werden. Im Vergleich dazu sind die gestiegenen Energiekosten zwar insbesondere nach dem rasanten Anstieg in 2022 relevant, aber mittlerweile deutlich planbarer und kein Haupttreiber mehr. Der aktuell größere Kostentreiber sind die Trassenpreise. Was wir brauchen, ist eine bessere Planbarkeit für die nächsten Jahre – idealerweise mit verbindlichen Angaben zur Trassenpreisentwicklung.
BEST: Zu den Herausforderungen, die den KV dauerhaft begleiten und es auch in Zukunft tun werden, zählen insbesondere volatile Transportmengen und Konjunkturschwankungen. Hier ist es entscheidend, eine hohe Flexibilität und schnelle Reaktionszeiten beizubehalten. Dank unseres flächendeckenden Zugnetzwerks, einer intelligenten Bündelung von Landungsströmen und der Integration des Verkehrsträgers Lkw gelingt uns das sehr gut. Auch die Digitalisierung spielt eine große Rolle: Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die Effizienz und Transparenz in den Logistikprozessen zu verbessern.

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LOGISTICS PILOT: Wie gehen Sie mit Streckensperrungen um, und welche Lösungsansätze haben Sie dafür? Vor allem aber, wie kommunizieren Sie diese Problematik Ihren Kunden?

RIEDEL: Sperrungen von Streckenabschnitten stellen für uns ein erhebliches unternehmerisches Risiko dar. Sie führen nicht nur zu längeren Fahrzeiten, sondern verursachen auch deutlich höhere Kosten, zum Beispiel durch zusätzliche Trassennutzungsentgelte, einen erhöhten Energieverbrauch sowie längere Einsatzzeiten von Triebfahrzeugen und Personal. Diese Zusatzkosten können wir in der Regel nicht an unsere Kunden weitergeben. Wir kommunizieren mögliche Auswirkungen wie Verspätungen oder Zugausfälle offen und frühzeitig gegenüber unseren Kunden. Die Kostenrisiken steigen, während wir diese nur begrenzt über den Markt kompensieren können. Für uns bedeutet das: noch präzisere Planung, enger Austausch mit allen Beteiligten.
BEST: Bei sämtlichen Störungen ist eine proaktive und transparente Kundenkommunikation besonders wichtig. Dafür nutzen wir mehrere Kanäle: Einerseits informieren wir unsere Kunden per E-Mail über unsere TFG-Info, andererseits steht ein Liveticker im geschützten Kundenbereich unserer Website zur Verfügung. Neben der reinen Störungsmeldung kommunizieren wir dabei stets auch mögliche Alternativen, die wir kurzfristig anbieten können. Dank unseres dichten Netzwerks und der engen Zusammenarbeit mit Partnern und Dienstleistern sind wir in der Lage, flexibel auf Einschränkungen zu reagieren, etwa durch Umleitungen, die Nutzung alternativer Terminals oder den Einsatz zusätzlicher Lkw-Kapazitäten.

LOGISTICS PILOT: Was sollte die Politik tun, damit der KV wachsen kann? Was hat Priorität?

RIEDEL: Aus unserer Sicht braucht der KV vor allem eines: Planungssicherheit! Nur wenn wir auf verlässliche Rahmenbedingungen bauen können, beispielsweise in Bezug auf Trassennutzungsentgelte, Netzzugang oder langfristige Infrastrukturplanung, lassen sich stabile Produkte für den Markt entwickeln. Der Zugang zum Netz muss fair gestaltet und die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung verbessert werden. Aktuell erleben wir jedoch das Gegenteil: Die zunehmende Risikoverlagerung auf die Betreiber, etwa durch strengere pönale Regelungen bei der Nichtinanspruchnahme von Trassen, erschwert die Entwicklung neuer Produkte. Die Risikobereitschaft sinkt, Innovation wird ausgebremst. Wenn die Politik möchte, dass der KV wächst, müssen diese Bremsen gelöst werden. Ungeachtet dessen treiben wir bei EGIM weiterhin mit Nachdruck die Entwicklung optimierter Lösungen voran.
BEST: Die Politik hat bereits wichtige Weichen gestellt: Eine langfristig gesicherte Finanzierung für die Modernisierung und den Ausbau der Schieneninfrastruktur ist essenziell. Der eingeschlagene Kurs mit Korridorsanierungen verspricht mittel- bis langfristig deutliche Verbesserungen. Ein weiterer Fokus sollte auf der Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren liegen. (bre)

„Bei Störungen ist eine proaktive und transparente Kundenkommunikation besonders wichtig.“

Philipp Best, Leitung Vertrieb bei TFG Transfracht

Portrait von Philipp Best