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Fit für morgen

Was muss ein Hafenlogistiker heute können und was morgen? Fest steht, dass Automatisierung und Digitalisierung die Arbeit im Hafen verändern und neue Fähigkeiten verlangen. Die deutschen Seehäfen reagieren mit dem Projekt „PortSkill 4.0“ und richten ein Digitales Test- und Trainingscenter (DTTC) ein, in dem die benötigten Kompetenzen praxisnah trainiert werden können.

Fotos: Freepik, BLG Logistics, ma-co GmbH

„Die Hafenarbeit der Zukunft wird anders aussehen als heute“, sagt Ulrike Riedel, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin bei BLG LOGISTICS sowie Mitglied des sozialpolitischen Ausschusses des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). „Darauf müssen wir uns vorbereiten und die Chancen nutzen, die sich aus dieser Transformation ergeben.“ Die Bundesmittel für das Programm „Innovative Hafentechnologien“ (IHATEC) waren bisher jedoch ausschließlich zur Förderung technischer Innovationen und zur Erprobung neuer Strukturen vorgesehen.

Bereits 2018 erarbeitete die Hafenwirtschaft daher unter Federführung des Maritimen Competenzcentrums (Ma-Co) gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, dem ZDS und weiteren Akteuren erste Konzepte für ein menschenzentriertes Vorhaben und setzte durch, dass auch Bildungsprojekte über das IHATEC-Programm förderfähig werden. 2020 wurde ein Konsortium gebildet, zu dem die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), BLG LOGISTICS, EUROGATE und Patient Zero Games, ein Spezialist für virtuelle Lern- und Trainingswelten, gehören. „‚PortSkill 4.0‘ ist das erste und bisher einzige IHATEC-Projekt, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt“, erläutert Verbundkoordinator und Ma-Co-Geschäftsführer Gerrit Küther. „Wir nehmen die Belegschaften mit, damit sie in neuen Strukturen sicher und wirksam arbeiten.“

Duplexfoto farblich abgestimmt auf das Hafenfoto, zu sehen ist ein Arbeitsplatz mit unterschiedlich großen Bildschirmen an einem weißen Schreibtisch mit einem großen Bürosessel
Am Remote-Simulator wird der Einsatz von Containerbrücken aus dem Fernsteuerstand trainiert.

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ls Erstes klärte das Projektteam, welche Kompetenzen gewerbliche Hafenberufe künftig erfordern, berichtet Küther. „Das war ein iterativer Prozess. Zunächst haben wir die wissenschaftliche Literatur zu Zukunftskompetenzen ausgewertet – auch aus anderen Branchen.“ Anschließend interviewte das Team Experten in den Häfen und Personalverantwortliche in verschiedenen Unternehmen. Berichte des Weltwirtschaftsforums ergänzten die Analyse. „Dann haben wir die Erkenntnisse auf die Häfen übertragen“, erzählt Küther. „Die größte Hürde war die Passgenauigkeit: Ist eine Einschätzung zu allgemein, oder trifft sie wirklich unseren speziellen Hafenkontext?“ Dieser Prozess laufe weiter und bleibe für Anpassungen offen.

Anhand eines Maximalszenarios prüfte das Team sodann, welche Prozesse sich technisch vollständig automatisieren lassen und wie ein Terminal bei konsequenter Umsetzung aussähe. Küther: „Dieses Bild haben wir anschließend auf soziale Faktoren heruntergebrochen, denn nicht alles technisch Mögliche ist sozialethisch vertretbar oder in einem bestehenden Ökosystem realisierbar.“ Danach analysierte das Team aktuelle Stellenprofile und Qualifikationsinhalte und leitete daraus die künftig benötigten Kompetenzen ab. Diese Phase dauerte rund eineinhalb Jahre.

Die größte Herausforderung sieht BLG-Vorständin Riedel darin, dass noch offen sei, wie die Terminals der Zukunft tatsächlich aussehen werden. „Es gibt zwar schon automatisierte Terminals, aber die Ausprägung ist überall anders“, sagt sie. „Grundsätzlich verschieben sich die Tätigkeitsprofile von der reinen Ausführung hin zu Steuerung und Planung – und mit mehr IT-Kompetenz.“ Wer etwa heute Geräte bedient, führt morgen Informationen zusammen, bewertet Abweichungen und stabilisiert den Betrieb.

Dass der Mensch im Zuge der Automatisierung gänzlich ersetzt wird, ist nach Riedels Einschätzung jedoch nicht zu befürchten. „Menschen müssen und sollen die Systeme in Gang bringen“, betont sie. Automatisierung und Digitalisierung verbessern die Planung und Effizienz auf den Terminals. „Es geht für uns als Arbeitgeber darum, mit den Menschen zu arbeiten, nicht gegen sie, und die Bedingungen zu schaffen, damit sie ihre Rollen sicher ausfüllen können.“

Duplexfoto farblich abgestimmt auf das Hafenfoto, ein junger Mann, der vor mehreren großen Bildschirmen sitzt, ist seitlich zu sehen
Im Leitstand werden Trainingsszenarien umgesetzt, überwacht und gesteuert.
Porträt von Ulrike Riedel, der Hintergrund ist unscharf, in einer Büroumgebung

„Die Hafenarbeit der Zukunft wird anders aussehen“.

Ulrike Riedel, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin bei BLG LOGISTICS sowie Mitglied des sozialpolitischen Ausschusses des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS)

Info zum Projekt

Titel
Projekt „Portskill 4.0“ – Bildungshub der deutschen Hafenbetriebe – Aufbau eines digitalen Test- und Trainingscenters (DTTC) für die Unternehmen und Beschäftigten der deutschen Hafenwirtschaft

Laufzeit
4 Jahre, seit Dezember 2021 bis zum 30. November 2025

Budget
3,2 Millionen Euro, anteilig finanziert durch das Förderprogramm „Innovative Hafentechnologien II“ (IHATEC) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), seit dem Regierungswechsel Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)

Lernen im Digitalen Test- und Trainingscenter

„Im nächsten Projektschritt haben wir die erforderlichen Trainingsszenarien abgeleitet“, berichtet Küther. Ziel war die pilothafte Entwicklung der IT-Landschaft und der haptischen Ausstattung für ein Digitales Test- und Trainingscenter (DTTC) auf etwa 150 Quadratmetern am Container Terminal Altenwerder (CTA) der HHLA. „Da wir noch in der geförderten Erprobungsphase sind, nutzen es derzeit ausschließlich die Projektpartner HHLA, BLG und EUROGATE zur Validierung der Trainingsszenarien.“

Nach Abschluss des Projekts Ende 2025 soll es auch allen anderen maritimen Akteuren offenstehen. „Wir planen die Marktfähigkeit für das zweite Quar-tal 2026“, erklärt Küther. Zielgruppen sind Beschäftigte der deutschen Hafenbetriebe. Perspektivisch kommen Schulen, Berufsausbildung, die Agentur für Arbeit, Jobcenter und weitere Akteure des maritimen Sektors hinzu.

„Wir bilden Prozesse mit Virtual-Reality-Technik und Computersimulationen ab, um Arbeitsabläufe auch funktionsübergreifend zu trainieren“, erläutert Küther. Das DTTC biete dafür 3-D-Trainingssimulationen mit Augmented-Reality(AR)-, Virtual-Reality(VR)- und Mixed-Reality(MR)-Geräten, ferner Videowände sowie Leitstände und Steuerungseinheiten sowohl mit digitalem als auch haptischem Zugang. Eine Besonderheit ist das VR-Laufband auf einer beweglichen Plattform, auf der sich die Nutzer gesichert in der virtuellen Welt bewegen können. Hinzu kommt ein Remotesimulator von Liebherr, der vorbereitende Trainings in einem abgesicherten Simulationsraum ermöglicht. Dies gewinnt zusätzliche Relevanz, da sowohl die HHLA am CTA in Hamburg als auch EUROGATE in Wilhelmshaven bereits die ersten ferngesteuerten Containerbrücken in Deutschland eingeführt haben.

Duplexfoto farblich abgestimmt auf das Hafenfoto, ein Mann trägt eine VR-Brille und hält in beiden Händen Controller, mit denen er offenbar eine virtuelle Umgebung steuert oder darin interagiert. Im Hintergrund ist eine Hafenszenerie mit großen Containerkränen zu sehen.
Vernetztes Training im virtuellen Raum verbindet Arbeitsbereiche und Jobprofile der Hafenwirtschaft.
Im DTTC können aber nicht nur Zukunftskompetenzen wie fachliches Wissen, IT-Kenntnisse sowie Methoden- und Sozialkompetenzen aufgebaut und weiterentwickelt werden. „Besonders gefragt sind Soft Skills, zum Beispiel Problemlösungsfähigkeit, Veränderungsbereitschaft, Resilienz und Kommunikationsfähigkeit“, so Küther, „und die kann man dort ebenfalls gut vertiefen.“

Auch neue Karrierewege lassen sich im Trainingscenter testen. „Gerade langjährige gewerbliche Mitarbeiter wissen manchmal nicht, welche beruflichen Schritte sie gehen können“, hat Riedel beobachtet. „Unser Digitales Test- und Trainingscenter senkt Hürden und Hemmungen, weil dort niemand Angst haben muss, etwas falsch zu machen oder zu beschädigen. Hier können sich die Mitarbeiter in einem sicheren Umfeld ausprobieren. Und bei Fehlern kann einfach auf Reset gedrückt werden.“

Für die Nachwuchsgewinnung eignet sich das Center ebenfalls. „Viele Menschen haben noch althergebrachte Bilder im Kopf – hier machen wir den Hafen der Zukunft anschaulich und begeistern für moderne Technologie“, sagt Riedel. Die Lerninhalte würden fortlaufend ergänzt, da sich die Technik und die Aufgabenstellungen schnell änderten. Eins aber gilt ihrer Ansicht nach auch künftig: „Menschen werden besser von Menschen gesteuert als von Maschinen.“ (cb)

Porträt von Gerrit Küther

„‚PortSkill 4.0‘ ist das erste IHATEC-Projekt mit Fokus auf den Menschen.“

Gerrit Küther, Verbundkoordinator und Ma-Co-Geschäftsführer

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