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Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

„Häfen sind das Herzstück der Energiewende“

Andere Bundesländer – ähnliche Prioritäten: Kristina Vogt, Bremens Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation, und Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung in Niedersachsen, beleuchten aus ihrer landesspezifischen Sicht wichtige Aspekte der zukünftigen Energieversorgung.

Fotos: istockphoto, Ressort SWHT, MW/Scheffen
Was muss passieren, damit die Energiewende in Deutschland gelingt? Und was kann Ihr Bundesland dazu beitragen?

Vogt: Die Energiewende verlangt einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Aspekte von der Erzeugung bis zum Verbrauch erneuerbarer Energien einschließt. Der „Energy Port“, der den Hafen als Schlüsselstandort für den Import, die Lagerung und den Umschlag erneuerbarer Energien etabliert, ist dafür ein Paradebeispiel. Bremen und Bremerhaven können bei der Energiewende eine Vorreiterrolle übernehmen: Unsere Seehäfen sind prädestiniert als Knotenpunkte für den Im- und Export erneuerbarer Energien und als Standorte für Offshore-Windparks. Ich setze mich zudem für den Bau von Konverterstationen in Bremerhaven und ein CO2-Terminal in Bremen ein. Eine klare Strategie für Großraum- und Schwertransporte ist dabei ebenso essenziell wie eine Energiewende-Zugangsstrategie für alle deutschen Häfen. Unabhängig davon ist eine nationale Strategie mit klaren kurz- und langfristigen Zielen zwingend notwendig.

Lies: Zentraler Baustein der Energiewende in Niedersachsen sind die Windenergieanlagen an Land und auf See. Die Nordsee(küste) bietet ideale Bedingungen, wir sprechen da nicht umsonst vom „Powerhouse Nordsee“. Das müssen wir weiter erschließen. Viele Windparks tragen aber schon heute zu einem hohen Anteil erneuerbarer Energien an der niedersächsischen Stromerzeugung bei. Der Ausbau dieser Technologie und die Optimierung der Netzinfrastruktur sind entscheidend, um die erzeugte Energie effizient zu nutzen. Für eine erfolgreiche Energiewende werden neben erneuerbarem Strom auch Alternativen zu fossilen Energieträgern benötigt. Da wird Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen. Damit der Norden zur Energiedrehscheibe Deutschlands wird, haben wir gemeinsam mit Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein die Norddeutsche Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht, um die Voraussetzungen für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft hier bei uns im Norden zu schaffen. Wichtiger Bestandteil der Strategie ist die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Norddeutschland.

Teilen Sie die Ansicht, dass die Energiewende ohne die Häfen nicht gemeistert werden kann?

Vogt: Die Häfen sind das Herzstück der Energiewende. Sie sind nicht nur Umschlagplätze für Waren, sondern auch zentrale Knotenpunkte für die Energieversorgung und -verteilung. Sie sind unverzichtbar für den Aufbau und Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen, die einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Die Häfen stehen jedoch selbst im Transformationsprozess. Sie müssen sich den Anforderungen der Automatisierung und Digitalisierung stellen und im Kreuzfahrt- wie Containerbereich Landstrom bereitstellen, um eine klimaneutrale Schifffahrt zu unterstützen. Die Häfen müssen in die Lage versetzt werden, große Mengen erneuerbarer Energien umzuschlagen, zu speichern und zu verteilen. Sie müssen über die notwendige Infrastruktur verfügen, um Offshore-Windenergieanlagen zu produzieren, zu lagern und zu installieren. Und sie müssen in der Lage sein, den wachsenden Bedarf an Landstrom zu decken. Deshalb muss der Bund seine finanzielle Beteiligung an der Hafeninfrastruktur deutlich erhöhen.

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„Eine nationale Strategie ist
zwingend notwendig.“

Kristina Vogt (Die Linke) ist seit Juli 2023 Bremer Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation. Zuvor war sie von 2019 bis 2023 Bremer Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.

Lies: Die Seehäfen sind von herausragender Bedeutung, wenn die Energiewende ein Erfolg werden soll und wir die Sicherheit unserer Energieversorgung sicherstellen wollen. Es braucht in den Häfen ausreichend Kapazitäten, um Offshore-Windenergieanlagen zu errichten, zu warten und am Ende der Lebenszeit wieder zurückbauen zu können. Die Häfen sind das Rückgrat für das Erreichen der Ausbauziele für Offshore-Windenergie. Ohne sie ist das unmöglich. Deshalb hat Niedersachsen schon vor Jahren angefangen, vor allem die Standorte Cuxhaven und Emden mit dem Fokus auf Offshore-Windenergie auszubauen sowie zielgerichtet die Anforderungen der Offshore-Branche zu erfüllen. Damit müssen wir konsequent weitermachen. Niedersachsen bietet außerdem einzigartige Standortvorteile für den Aufbau einer umfassenden Wasserstoffwirtschaft. Unsere Seehäfen werden hier gerade für den Import von Wasserstoff und synthetischen Energieträgern eine wesentliche Rolle für Deutschland spielen. Ein weiteres Plus sind Europas größte Kavernenfelder zum Speichern großer Mengen an Wasserstoff, die maritimen Unternehmen vor Ort, die vorhandene wissenschaftliche Expertise sowie Industriezweige mit umfangreichen Erfahrungen im Umgang mit Wasserstoff. Deutschland wird auch in einer klimaneutralen Zukunft immer einen erheblichen Teil benötigter chemischer Energieträger importieren müssen – grünen Wasserstoff zum Beispiel via Pipeline, in Form von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak oder synthetischem Methan via Schiff. Die niedersächsischen Häfen bieten genau hierfür beste Voraussetzungen.

Würden Sie so weit gehen, zu sagen, Energie könnte der neue Container für die Geschichte der Häfen werden?

Vogt: Der Containerumschlag wird zentral bleiben, aber die Energiewende eröffnet ein enormes Potenzial. Das Projekt „Energy Port“ in Bremen positioniert den Hafen als zentrales Drehkreuz für erneuerbare Energien, während die Offshore-Windenergie immense Wertschöpfungspotenziale birgt, die nicht nur die Energieversorgung revolutionieren, sondern auch erhebliche Ansiedlungs- und Beschäftigungseffekte mit sich bringen. Deutschland war stets auf Energieimporte angewiesen und wird es bleiben. Frühere Energieträger wie Kohle, Öl und Gas kamen über die Häfen, und die Herausforderung besteht nun darin, diese durch emissionsfreie Alternativen zu ersetzen. Die Offshore-Windindustrie, die das Gesicht der Häfen bereits verändert hat, stellt ein zusätzliches Geschäft dar.

Lies: Häfen als Knotenpunkte des nationalen und internationalen Warenaustauschs haben sich stetig verändert und werden das auch weiterhin tun. Aktuell erleben wir wieder einen Prozess mit zahlreichen Umbrüchen, in dessen Fokus die Themen Digitalisierung und Dekarbonisierung beziehungsweise Energie stehen. Ob Flüssigerdgas, Wasserstoff oder Windkraft – neue nachhaltige Energieträger werden zukünftig vermehrt in unseren Häfen umgeschlagen: Die niedersächsischen Seehäfen werden zur Drehscheibe für die Energieversorgung des gesamten Industriestandorts Deutschland und sind wichtige Motoren für eine kohlenstoffarme Zukunft. Insofern bieten sich vielen Häfen neue Geschäftsfelder und damit enorme Chancen, ihr Spektrum hin zu einem Energiehub zu erweitern und damit ihren unverzichtbaren Beitrag zur Transformation der Wirtschaft für die Energiewende zu leisten. Die Entwicklung und Einführung des Containers hat seinerzeit bestehende Abläufe im gesamten internationalen Warenaustausch revolutioniert – das ist natürlich nicht mit den jetzt eintretenden Changeprozessen zu vergleichen. Fest steht aber: Die Chancen sind gewaltig, wenn wir hier die richtigen Weichen stellen.

Wenn wir ein Jahr vorausblicken könnten: Welche Überschriften würden Sie dann gern über die deutsche Energiewende lesen?

Vogt: „Nächster wichtiger Schritt: Bund beteiligt sich am Bau des Energy Port.“ Oder: „Neue Nationale Hafenstrategie ermöglicht Energiewende und Hafenausbau – Bundesregierung folgt der Forderung der Küstenländer nach einer sachgerechten Zuordnung der Hafenlasten“.

Lies: „Wie der Norden erfolgreich seine Chancen nutzt – Transformation und Energiewende sind Modell für neue Jobs und Wachstum.“ (bre)

„Wir sprechen nicht umsonst vom ‚Powerhouse Nordsee‘.“

Olaf Lies (SPD) ist seit Februar 2008 Mitglied des Niedersächsischen Landtages und seit November 2022 Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung.