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Lkw-Maut: KlimaschutzMotivator und Kostentreiber?

Seit dem 1. Dezember 2023 ist die Lkw-Maut an die Höhe des CO2-Ausstoßes gekoppelt. Damit will die Bundesregierung den Umstieg auf klimaneutrale Antriebe beschleunigen. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), und Simeon Breuer, Geschäftsführer der L.I.T.-Spedition, bewerten dieses Vorhaben aus unterschiedlicher Perspektive.

Fotos: AdobeStock, Steffen Holzmann, L.I.T
Ist die neue Mautregelung aus Ihrer Sicht eine richtige Maßnahme zur Minderung der Treibhausgasemissionen im Verkehr und für die Erreichung der Klimaschutzziele?

Resch: Die Erweiterung der Lkw-Maut ist neben anderen Maßnahmen ein wichtiger erster Schritt, um die Dekarbonisierung im Straßengüterverkehr sowie eine stärkere Verlagerung auf die Schiene voranzutreiben. Die Mauterweiterung um die CO2-Komponente reagiert auf den Umstand, dass auch der Güterverkehr seinen Anteil zur Erreichung verbindlicher Klimaschutzziele im Verkehrssektor liefern muss. Gleichzeitig ist klar, dass diese Maßnahme allein nicht ausreicht, um die Klimaschutzlücke im Verkehrsbereich zu schließen.

Breuer: Nein. Es gibt keine wirklichen Anreize, in den intermodalen Verkehr oder in alternative Antriebe zu investieren. Wir selbst schauen natürlich, wie wir das Thema Intermodaltransporte voranbringen können, also mehr Ladung auf die Bahn zu bringen. Dazu betreiben wir selbst zwei ganze Züge und nehmen jeden Tag 100 Lkw von der Straße. Das möchten wir in Zukunft auch gern verstärkt im Kombiverkehr machen, indem wir Einzeltrailer per Zug befrachten. Aber die marode Infrastruktur der Schiene ist hier auch ein limitierender Faktor. Das Thema Dekarbonisierung muss nach vorn getrieben werden, keine Frage. Aber mit dieser Mauterhöhung schafft die Bundesregierung aus unserer Sicht keinen Anreiz.

Wird durch die Koppelung der Maut an den CO2-Ausstoß ein Anreiz für die Branche geschaffen, um auf klimafreundliche Fahrzeuge umzusteigen?

Resch: Sie ist ein zusätzlicher Anreiz zum Umstieg auf batterieelektrische Antriebe und zur Verlagerung auf die Schiene. Der Kostenvorteil von E-Lkw liegt momentan bei den Betriebskosten. In den nächsten Jahren wird ihr Kostenvorteil anwachsen und etwa ab 2025 – ohne Berücksichtigung von Kaufprämien – wird die Kostenparität mit einem Lkw mit Verbrennungsmotor erreichen. Eine Studie unseres Dachverbands Transport & Environment geht davon aus, dass E-Lkw ab 2030 in 99,6 Prozent der Anwendungsfälle im europäischen Straßengüterverkehr geringere Gesamtkosten aufweisen und dabei die gleichen Anforderungen an Reichweite, Laufzeit und Nutzlast erfüllen. Das gelte vom 16-Tonner im Verteilverkehr bis zum 40-Tonner im Fernverkehr. Die Mauterweiterung verstärkt den Kostenvorteil für E-Lkw und kann damit ein zusätzlicher Antreiber sein. Die dauerhafte Befreiung von E-Lkw von allen Mautkomponenten ist jedoch aus unserer Sicht nicht angemessen, da auch Lkw mit Batterieantrieb negative Umweltauswirkungen haben und die Infrastruktur belasten.

Breuer: Grundsätzlich ja, wenn es auch keine wirklichen Alternativen gibt, die universell einsetzbar sind. Die LNG-Lkw sind ja schon mal ein erster Schritt. Es gibt auch ein gutes Tankstellennetz. Aber durch den Ukraine-Krieg sind die LNG-Preise durch die Decke gegangen. Die LNG-Lkw waren bisher von der Maut ausgenommen. Doch ab Januar werden auch sie voll bemautet. Ich finde das unfair, weil die Rahmenbedingungen durch den Ukraine-Krieg sehr schwierig geworden sind. LNG-Lkw tragen zumindest in einem ersten Schritt zur Dekarbonisierung bei. Deshalb sollte die Bundesregierung doch wenigstens das bei der Bemautung berücksichtigen. Wir haben jetzt in einem Förderprojekt zwei Wasserstoff-Lkw. Doch wenn man sich derzeit die Wasserstoffpreise anschaut, dann ist das jenseits von Gut und Böse. Momentan zahle ich für ein Kilo Wasserstoff zwischen acht und zwölf Euro. Wir wollen da etwas machen, aber auch das ist betriebswirtschaftlich schwer darstellbar.

Wer sind aus Ihrer Sicht die Gewinner und die Verlierer der neuen Regelung? Wird die neue Lkw-Maut auch Auswirkungen auf die Verbraucher haben?

Resch: Mit der Einführung einer CO2-Komponente wird darauf reagiert, dass der Straßengüterverkehr einen erheblichen Anteil an den klimaschädlichen Emissionen des Sektors hat. Bislang ist es nicht gelungen, die Vorgaben zum Klimaschutz für den Sektor einzuhalten. Wir haben deswegen erfolgreich vor dem OVG Berlin-Brandenburg auf die Vorlage eines wirksamen Klimaschutzsofortprogramms geklagt. Die CO2-Komponente ist dementsprechend auch Teil des von der Bundesregierung vorgelegten Klimaschutzprogramms. Gewinner ist also am ehesten das Klima. Gleichzeitig ist die Komponente ein Schritt hin zur Beendigung der Bevorzugung des Systems Straße. Die Lkw-Maut gilt auf Autobahnen und Bundesstraßen – im Schienenverkehr ist das Netzentgelt auf allen Strecken zu zahlen. Die Transportkosten von Gütern, von denen die Maut nur ein Teil ist, machen in der Regel nur einen Anteil am Verkaufspreis im niedrigen einstelligen Prozentbereich aus. Die Mauterhöhung dürfte sich also kaum auf die Preise von Konsumgütern auswirken.

Breuer: Die E-Mobilität und die intermodalen Verkehre verzeichnen zumindest eine verstärkte Nachfrage, auch wenn sie für viele Verkehre nicht nutzbar sind. Und Auswirkungen auf den Endverbraucher wird es auf jeden Fall geben. Viele Unternehmen reduzieren ihren Fuhrpark oder hegen sogar den Gedanken aufzuhören. Denn sie führen schon jetzt einen täglichen Kampf, ihre Lkw optimal auszulasten, inklusive Fahrer. Diese zusätzliche Kostensteigerung können einige nicht mitgehen. Wenn das so ist, werden wir das auch mit Versatz in den Regalen der Supermärkte merken. Entweder durch ein geschrumpftes Sortiment oder steigende Preise.

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„Der Straßenverkehr hat erheblichen Anteil an klimaschädlichen Emissionen.“

Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und hat den Abgasskandal maßgeblich mit aufgeklärt.

Welche weiteren Schritte sehen Sie für den Klimaschutz und die Transformation des Verkehrssektors als unverzichtbar an?

Resch: Mit Blick auf den Güterverkehr: Bei einem Umstieg auf batterieelektrische Antriebe ist natürlich der Ausbau einer ausreichenden und leistungsstarken Ladeinfrastruktur ein wichtiges Element. Von zentraler Bedeutung sind aber auch der Ausbau und die Elektrifizierung der Schiene, um hier weitere Kapazitäten schaffen zu können. Dazu liegt ein Masterplan Schienengüterverkehr vor, der mit den einschlägigen Verbänden abgestimmt ist und nun umgesetzt werden muss. Hier darf es nicht zu weiteren Verzögerungen kommen.

Breuer: Die Infrastruktur bei der Bahn und die Lademöglichkeiten für E-Lkw müssen dringend und mit Hochdruck geschaffen werden. Für einen Spediteur muss sich die Verlagerung lohnen, und daher sollten gerade alle Verkehre, die einen geringeren CO2-Ausstoß verursachen, in der Produktion günstiger sein. Die Verlader müssen hier auch mit in die Pflicht genommen werden; zurzeit scheint aber nur der Preis eine Rolle zu spielen. (bre)

„Mit dieser Mauterhöhung schafft die Bundesregierung keinen Anreiz.“

Simeon Breuer ist seit 2020 Geschäftsführer der L.I.T.-Spedition und Vorstandsmitglied der L.I.T. AG.