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Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

Nachhaltig Verankert?

Wenn die ENVOCONNECT in diesem Jahr zum dritten Mal ihre Pforten öffnet, dann treffen in Bremen die unterschiedlichsten Akteure der Hafen- und Logistikbranche zusammen. Dabei vereint sie ein Ziel: die nachhaltige Transformation der Branche. Doch wie weit ist Deutschland tatsächlich in Sachen Nachhaltigkeit? Und welche Baustellen werden gerade besonders vehement „beackert“?

Fotos: freepik.com/JeffSkyAce, bremenports, ISL, Akka Olthoff, ECO Flettner, DGAP Zsófia Pölöske, Manfred W. Jürgens/Wismar, Niedersächsischer Stadte- und Gemeindebund

Bereits mit ihrem Motto „360° green focus – the new reality“ setzt die ENVOCONNECT in diesem Jahr ein klares Zeichen: Nämlich, dass Nachhaltigkeit längst kein optionaler Bonusfaktor mehr ist, sondern gelebte Realität. Oder wie es bremenports-Geschäftsführer Robert Howe formuliert: „Nachhaltigkeit wird heute rund um die Kajen als integraler Bestandteil von Geschäftsmodellen und Entscheidungen verstanden – es geht längst nicht mehr um isolierte Maßnahmen oder reines Marketing, sondern um das Zusammenspiel vieler Akteure.“ Erschwert wird dieses Zusammenspiel allerdings dadurch, dass sich vor den Marktteilnehmern ein breit gefächertes Aktionsfeld aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitsaspekten erstreckt, das nicht nur unterschiedlich wahrgenommen, sondern auch behandelt wird – wie die folgenden Experteneinschätzungen zeigen.

„Noch reichlich Luft nach oben“

So attestiert Flóra Gulyás, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), den europäischen und deutschen Seehäfen, einen „guten Weg“ in Richtung Nachhaltigkeit eingeschlagen zu haben. „In Europa ist der Nachhaltigkeitsgedanke in allen Häfen präsent, allerdings in einigen mehr und in anderen weniger. Neben Deutschland und den Niederlanden sehe ich hier vor allem die baltischen Häfen in einer Vorreiterrolle“, so Gulyás. Aus ihrer Sicht sei die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit sehr wichtig. „Sie ist die Grundvoraussetzung dafür, Transparenz zu schaffen und belastbare Zahlen zur Aktualisierung des Emissionsinventars zu generieren“, erläutert sie. Letzteres helfe dabei, die Emissionsquellen im Hafen zu identifizieren sowie gezielte Maßnahmen abzuleiten und Fortschritte messbar zu machen.

Wichtige Erkenntnisse zur Nachhaltigkeit hat das ISL bereits bei vielen unterschiedlichen Projekten und Simulationen gewinnen können. Unter anderem verweist Gulyás auf „MaritIEM“ – ein Projekt, das von 2020 bis 2023 im Rahmen der Forschungsinitiative mFund des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) lief. Hierbei fungierten die Häfen in Bremen und Bremerhaven als Modell, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Senkung der Emissionen in maritimen Transportketten zu beurteilen. „Wir konnten aus dem Projekt nicht nur eine ganze Reihe wichtiger Erkenntnisse ziehen, sondern auch eine Vielzahl konkreter Handlungsoptionen ableiten“, resümiert Gulyás – „insbesondere, was den Ausbau der Landstromversorgung, die Optimierung der Liegezeiten sowie die Umstellung auf emissionsarme und emissionsfreie Antriebssysteme im Hafenbetrieb betrifft.“

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Gegenwärtig verpflichtet die EU-Direktive 2023/1804 alle großen Seehäfen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN‑T), bis spätestens 1. Januar 2030 sicherzustellen, dass Landstromanlagen für Container- und Passagierschiffe – vor allem Kreuzfahrtschiffe – zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund sei es für den flächendeckenden Ausbau der Landstromversorgung aus Gulyás’ Sicht besonders wichtig, dass der eingespeiste Strom aus erneuerbaren Energiequellen und nicht von fossilen Brennstoffen stamme. Und was die Liegezeiten betrifft, so habe sich gezeigt, dass digitalisierte, besser abgestimmte Abläufe zwischen Hafenbetrieb, Terminal und Reedereien maßgeblich dazu beitragen, diese zu verkürzen und so Emissionen zu reduzieren. Ebenso habe „MaritIEM“ zu der Erkenntnis geführt, dass sich mit der Umstellung von Terminalumschlagsgeräten und Rangierlokomotiven auf elektrische oder alternative Antriebe große Fortschritte in der Nachhaltigkeitsbilanz erzielen lassen.

Trotz ihres Optimismus rund um die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien sieht Gulyás besonders bei Schiffsantriebssystemen noch „reichlich Luft nach oben“. „Derzeit kann noch nicht einmal ein Prozent der großen Schiffe mit über 300 Bruttoregistertonnen mit alternativen Kraftstoffen wie Ammoniak, Methanol, Wasserstoff oder Biofuel betrieben werden. Zwar nehmen die Neubestellungen solcher Schiffe zu, doch handelt es sich hier größtenteils um Schiffe mit LNG-Antrieb, die aufgrund des Methanschlupfs erhebliche Klimaschäden verursachen“, so die Expertin. „Bei allen Nachhaltigkeitsdiskussionen sollten wir allerdings nicht vergessen, dass der Einfluss der Häfen auf einige Stellschrauben wie eben die Antriebstechnologien von Schiffen begrenzt ist. Dennoch können die Häfen über Umweltauflagen oder Anreizsysteme wie Rabatte für umweltfreundliche Schiffe durchaus eine direkte Lenkungswirkung entfalten“, gibt Gulyás zu bedenken.

Sechs Personen sitzen im Halbkreis nebeneinander auf einer Bühne bei einer Podiumsdiskussion.
Für bremenports-Geschäftsführer Robert Howe (hier bei einer Paneldiskussion auf der letztjährigen ENVOCONNECT) steht fest: Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil von Geschäftsmodellen und Entscheidungen.

Hauptaugenmerk auf Wind und Kraftstoff

Auch bei Mariko in Leer ist man nah an der Thematik Nachhaltigkeit und möchte als Schnittstelle zwischen maritimer Wirtschaft, Wissenschaft und Politik die Schifffahrt zu wirtschaftlichen Bedingungen ressourcenschonender und umweltfreundlicher gestalten. Für Felix Agostini, Projektmanager für GreenShipping bei Mariko, haben vor allem zwei Dinge Priorität, um die Dekarbonisierung voranzutreiben – die Weiterentwicklung von Windantriebstechnologien und die verstärkte Nutzung alternativer Kraftstoffe. Mit Ersterem ist Mariko derzeit vor allem in den Projekten „FlettnerFLEET“ und „Rasant – Hybrid Sail Cargo Ships“ involviert: „Während es bei ‚FlettnerFLEET‘ darum geht, die Flettner-Technologie für eine breite Anwendung weiterzuentwickeln, zielt ‚Rasant‘ darauf ab, technologieoffen Schiffskonzepte zu erarbeiten, die den modernen Anforderungen einer klimafreundlichen Frachtschifffahrt gerecht werden und primär die Kraft des Windes nutzen“, erklärt Agostini. Und ergänzend führt er aus: „Natürlich ist Windenergie nicht für alle Schiffstypen die geeignete Nachhaltigkeitsoption. Bei Containerschiffen etwa, die einen Großteil ihrer Deckfläche für die Ladung benötigen, greift diese Idee deutlich weniger als bei Tankern, Bulkern, Multipurpose- und RoRo-Schiffen.“ Dennoch ist er überzeugt, dass sich Segelsysteme in der Schifffahrt weiter durchsetzen werden. „Vor ein paar Jahren gab es nur eine Handvoll Schiffe, die damit in der weltweiten Fracht- und Personenschifffahrt im Einsatz waren. Aktuell sind es bereits knapp 100 – Tendenz deutlich steigend“, sagt Agostini.

Portrait von Flóra Gulyás

„Der Einfluss der Häfen auf einige Stellschrauben ist begrenzt.“

Flóra Gulyás, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL)

Für einen geringeren Kraftstoffverbrauch und damit weniger Emissionen wurde der Mehrzweckfrachter „Annika Braren“ in Leer nachträglich mit einem sogenannten Flettner-Rotor ausgerüstet, der die Windströmung nutzt.

Mit dem zweiten Themenkomplex, den alternativen Kraftstoffen, befasst sich Mariko unter anderem als Standort des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen, zu dessen Schwerpunkten die Weichenstellung für energieeffiziente Schiffe und die Lösung ökologischer Fragen gehören. „Aus meiner Sicht sind Methanol und Ammoniak vielversprechende Kraftstoffe. Dennoch wird es in Zukunft nicht die eine Lösung oder den einen Kraftstoff, sondern mehrere Optionen parallel nebeneinander geben“, ist sich Agostini sicher. Welche Technologie sich schließlich durchsetzen wird, hänge seiner Meinung nach vor allem von ihrer Verfügbarkeit und ihrem Preis ab.

Insgesamt zählt Agostini Europa und Deutschland, was Nachhaltigkeit angeht, noch zu den führenden Industrienationen im maritimen Bereich. Allerdings „hapert es zunehmend bei der Wertschöpfung und der konkreten Umsetzung“, betont der Experte. Hier würde er sich wünschen, dass Deutschland mutiger und offener agiere. „Bei zahlreichen Projekten arbeiten wir mit unseren Nachbarn aus den Niederlanden zusammen. Und die tun sich interessanterweise leichter damit, sich an neue Marktsituationen anzupassen und nicht alle Ideen vom Ende her zu denken. Da könnten wir uns durchaus eine Scheibe von abschneiden“, lautet sein Vorschlag für mehr Dynamik im Umsetzungsprozess.

Häfen müssen auf Klimawandel reagieren

Bärbel Koppe, Professorin für Wasserbau und Hydromechanik an der Hochschule Wismar und Mitglied der Arbeitsgruppe „KlimaHafen“ der Hafentechnischen Gesellschaft (HTG), befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Infra- und Suprastruktur in den deutschen See- und Binnenhäfen. Einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand gab sie jüngst dem LOGISTICS PILOT, auch wenn erste Empfehlungen der Arbeitsgruppe im Umgang mit dem Klimawandel erst im dritten Quartal 2025 offiziell vorgestellt werden. Als Grundvoraussetzungen für die Schaffung klimaresilienter Häfen sehen Koppe und ihre Kollegen dabei sowohl die erforderliche Kenntnis der zu erwartenden Wandelsignale in den Klimaparametern als auch des Ist-Zustands des baulichen Bestands der Hafenanlagen. „Denn bei der Behandlung des Themas zeigt sich immer wieder, dass ein aussagekräftiges Bauwerks- und Anlagenkataster in vielen Häfen nicht verfügbar ist“, erläutert Koppe.
Was die Entwicklung der Klimaparameter an den deutschen Küsten der Nord- und Ostsee betrifft, so ist laut Koppe mit großer Sicherheit von einer Zunahme der mittleren Luft- und Wassertemperaturen sowie von extremer Hitze und von Hitzewellen auszugehen. Auch die Erhöhung des mittleren Meeresspiegels und der Sturmflutwasserstände seien Klimaszenarien, mit denen in den nächsten Jahren definitiv zu rechnen ist. Darüber hinaus erwarten die Mitglieder der HTG-Arbeitsgruppe mit sogenannter mittlerer Sicherheit, dass die Anzahl extremer Niederschläge und konvektiver Starkwindereignisse zunehmen wird.

Portrait von Felix Agostini

„In Zukunft wird es nicht die eine Lösung oder den einen Kraftstoff geben.“

Felix Agostini, Projektmanager GreenShipping bei Mariko

„Ein Industriemuseum braucht niemand in Deutschland“

Interview mit Dr. Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

Wie weit ist Deutschland in Sachen Nachhaltigkeit und wieviel Zeit bleibt uns, um die Klimakrise einzudämmen?
VINKE:
Deutschland hat einiges geleistet in dem Voranbringen seiner Nachhaltigkeitsziele, trotzdem gibt es noch großen Handlungsbedarf. Im Bereich des Klimaschutzes sind die Probleme im Verkehrssektor und Bauwesen immens, hier müssen existierende Innovationen stärker zur Anwendung gebracht werden. Es braucht klare Maßnahmen, um das Erreichen der deutschen Klimaziele bis 2030 sicherzustellen und für den Zeitraum danach auf den richtigen Pfad zu kommen. Dabei ist der globale Klimaschutz immer ein Rennen gegen die Zeit, denn je früher eine Abkehr von atmosphärenbelastenden Technologien erfolgt, desto weniger schwerwiegend sind die zu erwartenden Klimafolgen. Schon heute schnellen die Temperaturen in die Höhe; Hitzewellen und Stürme sind reale Bedrohungen. Je schneller wir die Ursachen bekämpfen, desto besser. Tun wir dies nicht, droht uns ein Kontrollverlust.

Welche Bedeutung haben der Green Deal und der Industrial Green Deal vor diesem Hintergrund?
VINKE:
Europa muss beim Klimaschutz vorangehen. Wir haben das Problem maßgeblich mitverursacht und sollten schnell weiter ins Handeln kommen. Die Industrie verlangt verlässliche Rahmenbedingungen, und viele Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht, um ihre Umweltkosten zu senken. Bemühungen, den europäischen Green Deal aufzuweichen, sollte auch deswegen entschieden entgegengetreten werden. Nur über die Nutzung neuer grüner Technologien erhalten wir unsere Wettbewerbsfähigkeit. Gerade Konkurrenten wie China subventionieren Schlüsselindustrien der Nachhaltigkeitsbranche massiv. Auch wenn Veränderungen schwerfallen – ein Industriemuseum braucht niemand in Deutschland.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aufgaben, die die maritime Wirtschaft und die Logistik unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zeitnah in Angriff nehmen müssen?
VINKE:
In der maritimen Wirtschaft muss an mehreren Stellen angesetzt werden. Zum einen geht es um die Entwicklung und Einführung alternativer Antriebsformen, etwa durch Wasserstoffderivate wie Ammoniak oder Methanol. Für kürzere Fährstrecken werden schon heute vereinzelt batterieelektrische Motoren eingesetzt. Auch Flettner-Rotoren, die mit Windkraft traditionelle Verbrenner ergänzen, können zu Einsparungen beim Treibstoffverbrauch führen – ein erster Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Aber auch einfache Maßnahmen wie die regelmäßige Säuberung des Rumpfes können zum Erreichen von Klimazielen beitragen, indem der Verbrauch gesenkt wird. Pilotprojekte versuchen darüber hinaus mit Branntkalk CO2 direkt an den Dieselgeneratoren abzufangen und zu speichern. Allerdings ist die Herstellung von Branntkalk ebenfalls energieintensiv und verlagert das Problem gewissermaßen nur, wenn dieser nicht nachhaltig produziert wird.

Auch die Rolle der Häfen sollte stärker in den Fokus genommen werden: Landstrom aus nachhaltigen Quellen, die Elektrifizierung des lokalen Transports und der Anschluss an den Schienengüterverkehr sind Beispiele für Nachhaltigkeitsbemühungen, die bereits in einigen deutschen Häfen umgesetzt werden.

Umweltverträglichkeit beginnt bereits bei der Produktion in den Werften und den dahinterstehenden Lieferketten. So kann etwa die Herstellung von grünem Stahl den CO2-Fußabrduck eines Schiffes verringern. Letztlich braucht es auch politische Rahmenbedingungen wie eine steigende Bepreisung der Freisetzung von klimaschädlichen Gasen und einen starken CO2-Grenzausgleich. Letzterer kann europäische Investitionen in grüne Produktion vor schmutzigeren, günstigeren Wettbewerbern aus dem Ausland schützen. (bre)

Portrait von Dr. Kira Vinke

„Globaler Klimaschutz ist immer ein Rennen gegen die Zeit.“

Dr. Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

Mit Blick auf einen möglichen Anstieg des Meeresspiegels und somit auch der Sturmflutwasserstände seien die Hafenverantwortlichen nun verstärkt beim Hochwasserschutz auf den Terminals und bei der Erhöhung der dortigen Schutzanlagen gefordert. Hinsichtlich der zunehmenden Häufigkeit von Sommerstürmen und Starkregen verweist die Expertin zudem auf deren mögliche Folgen für den Hinterlandverkehr. „Von diesen Wetterkapriolen war zuletzt besonders die Bahn betroffen. Deshalb muss man unter anderem darüber nachdenken, wie man das Problem des Baumwurfs besser in den Griff bekommt, um möglichen Streckensperrungen vorzubeugen“.
Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsbemühungen sieht Koppe gegenwärtig jedoch noch eine Reihe von Defiziten. „Leider steht in der Hafenwirtschaft weiterhin die Frage ‚Womit können wir Geld verdienen?‘ im Vordergrund – und zwar sowohl aufseiten der Hafenverwaltungen und Terminalbetreiber als auch aufseiten der Planer und Baufirmen“, bemängelt sie. Zudem werde in Deutschland auch weiterhin kein Halt vor massiv fossil getriebenen Hafenentwicklungen gemacht. Bei aller Kritik sieht sie aber auch positive Ansätze. So stünde die Dekarbonisierung von betrieblichen Prozessen – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen – inzwischen ganz oben auf der Agenda der Terminalbetreiber.

Starke Eigeninitiative, starke Abhängigkeit von Trump und Co.

Aus einer anderen Perspektive geht die Region Nord des Vereins Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) das Themenfeld Nachhaltigkeit in den fünf Bundesländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein an. RENN vernetzt in Zusammenarbeit mit regionalen Partnern verschiedene Akteure, um neue Impulse für mehr Nachhaltigkeit zu setzen und um die Sustainable Development Goals der UN-Agenda 2030 in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. „Weit oben auf der To-do-Liste unserer Kommunen steht derzeit das Thema Mobilität“, sagt Dominik Jung, der RENN als Vertreter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds unterstützt. „Dazu gehört die Schaffung einer Ladesäuleninfrastruktur für Elektrofahrzeuge und die Umsetzung von Carsharing-Modellen im ländlichen Raum sowie die verstärkte Verfügbarkeit von Lastenfahrrädern vor Ort“, so Jung weiter.

Aber auch Aufgabenstellungen rund um erneuerbare Energien und Klimaschutz würden in Niedersachsen gerade mit besonderem Engagement vorangetrieben. Wichtige Eckpfeiler unter ersterem Aspekt seien Aufklärungskampagnen, die Unterstützung von Photovoltaikprojekten und die Erstellung von Konzepten, um Solar- und Windkraftanlagen in der Region zu etablieren. Beim Klimaschutz zählten indes Stadtentwicklungsmaßnahmen, die Schaffung öffentlicher Grünflächen und die Sensibilisierung der Bevölkerung für Starkregen und Hitzeschutz zu den vorrangigsten Aufgaben. Setzt man diese regionalen Projekte in Bezug zu den Herausforderungen, denen sich die maritime Wirtschaft und die Logistik in puncto Nachhaltigkeit stellen, so zeigt sich schnell: So weit liegen die Aktionsfelder und Schnittmengen aller Beteiligten nicht auseinander.

Dementsprechend übertragbar ist auch Jungs Ist-Analyse: „Insbesondere was die ökologische Nachhaltigkeit betrifft, sehe ich Deutschland auf dem richtigen Pfad – dieser muss aber konsequent weiterbeschritten werden. Zweifel habe ich allerdings in Bezug auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Denn schon einige wichtige Vorzeigeprojekte sind hierzulande mit dem Hinweis darauf gescheitert, dass sie sich nicht rechnen würden. Ich weiß nicht, ob das die richtige Maxime ist.“ Mit Blick auf die dritte Säule der Nachhaltigkeit ergänzt er dann: „Die soziale Dimension wird leider immer am stärksten vernachlässigt. Und ich fürchte, dass sich daran nichts ändern wird, bis die wirtschaftliche Prosperität in Deutschland wieder einen Aufschwung erfährt. Aber das liegt nicht allein in unseren Händen, sondern ist stark abhängig von der Unberechenbarkeit einiger Akteure jenseits des Atlantiks und des Indischen Ozeans.“ (bre)

Portrait von Bärbel Koppel

„Leider steht weiterhin die Frage ‚Womit können wir Geld verdienen?‘ im Vordergrund.“

Bärbel Koppe, Professorin für Wasserbau und Hydromechanik an der Hochschule Wismar

Portrait von Dominik Jung

„Die soziale Dimension wird immer am stärksten vernachlässig.“

Dominik Jung, Vertreter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindesbunds