HEFT ANFORDERN

Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

Soft Skills statt harter Bandagen

Humor, Gelassenheit und Toleranz statt rigider Verhandlungsstrategien und Prinzipien – auf diese Formel sollten Geschäftsreisende bei ihrem nächsten Termin im Vereinigten Königreich vertrauen.

Auch diese Telefonzelle in Bath spiegelt in gewisser Weise den Humor und Pragmatismus der Briten wider: Im Handyzeitalter ausrangiert, wurde sie kurzerhand zu einem echten Eyecatcher umfunktioniert.

Fotos: Ellen Gnann, Pixabay/Ichigo121212

Hilfsbereit und humorvoll, zuweilen aber auch etwas „sonderlich“ – das sind häufig genannte Attribute, wenn es aus deutscher Sicht darum geht, den sogenannten typischen Bewohner des Vereinigten Königsreichs zu charakterisieren. Aber welche Eigenschaften sollten wir als Gäste mit im Gepäck haben, wenn wir in England, Nordirland, Schottland oder Wales auf beruflichem Terrain punkten wollen? „Wer Humor, Gelassenheit und Toleranz mitbringt, hat in allen vier Ländern gute Karten“, sagt die gebürtige Engländerin Nicola Garratt-Gnann, die 1993 gemeinsam mit ihrem Mann die IMB Interkulturelle Management Beratung in Tübingen gegründet hat und als Referentin für interkulturelles Training regelmäßig auch über ihr Heimatland informiert. Wer dorthin reist, solle stets im Hinterkopf behalten, dass Briten ein höfliches und bisweilen zurückhaltendes Volk sind, das zwar einerseits auf Understatement setzt, andererseits aber Themen und Probleme mutig ausdiskutiert. „Und das meist ergebnisoffen, mit sprachlicher Eloquenz und mit ganz viel bitte! und danke!“, so Garratt-Gnann.
Im Gegensatz zu einigen Business-Knigges empfindet sie ein kurzes Händeschütteln bei der ersten Begrüßung als durchaus angebracht: „Das gilt aber nur einmalig für das erste geschäft-liche Treffen.“ Danach verzichte man, vor allem seit Beginn der Coronapandemie, auf direkten Kontakt und sei mit einem Mindestabstand „at an arm’s length“ gut beraten. Auf die Begrüßung „How do you do?“ rät sie, ebenfalls mit „How do you do?“ zu antworten und dabei ein „Nice to meet you!“ nachzuschieben. Ein ausführlicher Exkurs über das eigene Wohlbefinden sei an diesem Punkt nicht angebracht – zumal man sich zu diesem Zeitpunkt ja auch noch nicht wirklich kenne. Wie gut dieser Kennenlernprozess, den Garratt-Gnann gern mit dem Begriff „bonding“ umschreibt, dann abläuft, hängt in hohem Maße von dem Einfühlungsvermögen und den Small-Talk-Fähigkeiten des Gastes ab. „Als Themen bieten sich neben dem Wetter und dem Essen vor allem Cricket, Fußball oder Pferderennen an. Auch bevorstehende Events sind immer wieder Anknüpfungspunkte für ein gutes Gespräch. Wer also diesen Sommer ins Vereinigte Königreich reist, könnte beispielsweise das berühmte Tennisturnier in Wimbledon thematisieren“, so die Expertin.

„Ja, und …“ statt „Nein, aber …“

Als noch wichtiger als das Konversationsthema erachtet sie den situativen Kontext. „Es gilt, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu kreieren, in der man sich locker und entspannt unterhält und die nicht gleich durch Einschränkungen und Grenzen, sondern durch Vorteile und gegenseitige Chancen gekennzeichnet ist. Dafür kann schon eine offene ‚Ja, und …‘-Einstellung sorgen, die man statt einer abweisenden ‚Nein, aber …‘-Mentalität an den Tag legt“, so Garratt-Gnann. Denn britische Geschäftspartner sind in der Regel bestrebt, Ergebnisse von gegenseitigem Nutzen auszuhandeln. Vorschläge, die keine Vorteile beinhalten, sind schwer vermittelbar. Besonders unangenehm falle jeder auf, der in einen Befehlston verfalle oder von oben herab agiere. Wer clever sein will, leitet seine Vorschläge mit Formulierungen ein wie „What about …“, „I was hoping …“ oder „I would really appreciate …“ Aber Vorsicht! So gern Briten auch Alternativen diskutieren, wenn ein Vertrag einmal fix ist, wird nicht mehr nachverhandelt. Das gilt es vorher zu tun, wenn – was im Vereinigte Königreich üblich ist – die Protokolle des vorherigen Meetings besprochen werden. „Diese dienen als Diskussionsgrundlage und erlauben daher einen gewissen Gestaltungsspielraum“, so Garratt-Gnann.

Einfach fragen und den Ball zurückspielen

Für den Fall, dass diese Meetings in einen Businesslunch eingebunden sind, empfiehlt die IMB-Gründerin, geschäftlich relevante Themen nicht sofort anzusprechen, sondern abzuwarten, bis das Gegenüber es tut. Laut ihrer Erfahrung sei es auch durchaus üblich, businessbezogene Inhalte im Restaurant, im Pub oder bei sonstigen Privatvergnügen aufzugreifen. „Das kann manchmal sogar zielführender als in einer sterilen Büroatmosphäre sein“, gibt sie zu bedenken. Bei der Frage nach dem passenden Outfit oder dem „richtigen“ Gastgeschenk für diese Treffen schließt sich für sie sofort wieder der Kreis zur elementaren Bedeutung der zwischenmenschlichen Kommunikation. „Fragen Sie einfach! Das ist nie falsch. Denn die geschäftlichen Anlässe können so vielseitig sein wie die Dresscodes. Außerdem sind Briten tolerant und können auch kleidungstechnisch gut mit Exzentrikern umgehen, weshalb es schwer sein dürfte, wirklich aus dem Rahmen zu fallen“, sagt Garratt-Gnann mit einem Augenzwinkern.

Ähnlich verhalte es sich mit den Gastgeschenken. Hier könne man beispielsweise schon vor der Reise in ersten Gesprächen versuchen herauszufinden, worüber sich der Gastgeber im Vereinigten Königreich freuen könnte. Zudem sei jedes Geschenk willkommen, das etwas über den Gast selbst aussagt oder über die Region, aus der er kommt. Und damit sei das Geschenk dann ein weiterer Anknüpfungspunkt für mögliche Gesprächsthemen. Generell empfiehlt Garratt-Gnann für den nächsten UK-Trip: „Nehmen Sie die Herausforderung einfach an und spielen Sie den Ball, der Ihnen zugeworfen wird, locker zurück. Sie werden sehen, wie schnell sich dann von alleine eine angenehme Gesprächsatmosphäre entwickelt“. Und dann fügt sie noch hinzu: „Aber bitte versuchen Sie nicht, den britischen Humor zu kopieren, sondern lachen Sie einfach mit.“ (bre)

Yvonne Brockhaus, interkulturelle Trainerin für die Interkulturelle Management Beratung (IMB)
Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit einer Brise britischem Humor verweist dieses Schild in St. Ives auf „die Gefahr von oben“.

Anzeige

Ad
Yvonne Brockhaus, interkulturelle Trainerin für die Interkulturelle Management Beratung (IMB)

„Wer Humor, Gelassenheit und Toleranz mitbringt, hat in allen vier Ländern gute Karten.“

Nicola Garratt-Gnann, Referentin für interkulturelles Training bei IMB Interkulturelle Management Beratung

Logistics Pilot

Die aktuelle Printausgabe – jetzt kostenlos anfordern.