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Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

Aus Drei und Zwei wird Eins

In den vergangenen 20 Jahren haben sich viele europäische Seehäfen zusammengeschlossen. Warum haben sie sich dafür entschieden, und welche Hindernisse gab es auf dem Weg dahin? Der LOGISTICS PILOT hat nachgefragt.

Fotos: vectorstock-siraanamwong, flaticon, Copenhagen Malmö Port, Port of HaminaKotka Ltd., North Sea Port, Port of Antwerp-Bruges, Haropa Port

In etwa eineinhalb Jahren sollte Deutschland eine Nationale Hafenstrategie haben. Noch scheint diese nicht besonders konkret zu sein, und ob das Nachfolgepapier des Nationalen Hafenkonzepts von 2015 auch eine stärkere Kooperation der deutschen Seehäfen beinhaltet, ist derzeit offen. Fest steht, dass eine enge Zusammenarbeit in immer mehr europäischen Häfen bereits Realität ist. Fünf Beispiele im europäischen Ausland zeigen, wie unterschiedlich die Ausgangslagen waren und welche Ansätze sich jeweils bewährt haben.

CMP: Trotz Brücke zum binationalen Erfolg

Den Anfang machten im Jahr 2001 die Häfen von Kopenhagen (Dänemark) und Malmö (Schweden). Die Gründung des Unternehmens Copenhagen Malmö Port (CMP) erfolgte genau ein Jahr nach der Eröffnung der Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden. „Alle sahen in der Brücke eine große Chance“, berichtet Ulrika Prytz Rugfelt, Chief Communications & Sustainability Officer bei CMP.

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Allerdings wusste damals niemand, wie sich der Kurzstreckenseeverkehr, die Warenströme und die Häfen in Kopenhagen und Malmö mit der neuen Brücke entwickeln würden. Daher beschlossen beide Städte, ihre Kräfte zu bündeln, um sich dem neuen, unbekannten Markt gemeinsam zu stellen, anstatt zu konkurrieren. Dabei ging es um weit mehr als nur eine Kooperation der beiden Häfen, denn im Unternehmen CMP wurden alle Hafenaktivitäten der beiden Städte aus zwei Ländern zusammengefasst.

„Zweifel gab es kaum, denn viele sahen in dem Zusammenschluss ein gutes Beispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, aber auch eine Möglichkeit für die Häfen, sich an einen neuen Markt anzupassen“, so die CMP-Vorständin. Dem Unternehmen wurde zwar dennoch eine Probezeit von drei Jahren eingeräumt, aber bereits nach eineinhalb Jahren war das Geschäft in vollem Gange. Der größte Vorteil? „Ein effizienter Hafenbetrieb“, unterstreicht Prytz Rugfelt.

Port of Hamina-Kotka: Viel Widerstand bis zum gemeinsamen Glück

Bis sich die finnischen Häfen Hamina und Kotka 2011 zusammenschlossen, war es hingegen ein langer Weg. „Es gab 40 Jahre lang Gespräche über eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Häfen, aber immer war einer von den beiden dagegen – mal Kotka, mal wieder Hamina“, berichtet CEO Kimmo Naski.

Der Grund: Beide Häfen liegen nur etwa 20 Kilometer voneinander entfernt und hatten mit Containern, RoRo, General Cargo sowie flüssigem und trockenem Massengut das gleiche Profil. Zudem standen sie jeweils in kommunalem Eigentum und waren auch regionalpolitisch – unter anderem wegen der Beschäftigungseffekte – von Bedeutung. Überdies gab es einen Investitionswettkampf, da man befürchtete, dass sich nicht mehr beide Standorte entwickelt würden, legte man sie zusammen.

Die Stimmung änderte sich erst während der Finanzkrise 2008/2009, als beide Häfen jeweils etwa ein Drittel ihres jeweiligen Gesamtverkehrs verloren. „Gleichzeitig gab es Kommunalwahlen, und viele der gewählten Politiker waren für die Zusammenarbeit inklusive einer Hafenfusion“, erinnert Naski.

Die Kunden haben die Fusion von Anfang an begrüßt. Außerdem ist der Investitionsaufwand im Laufe der vergangenen Jahre kontinuierlich gesunken. Auch gibt es viele operative Synergien: „Verkehre werden dort umgeschlagen, wo es für die Kunden am besten ist. Alle acht Hafenteile haben heute ein eigenes Profil“, berichtet der CEO.

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North Sea Port: Niederländisch-flämischer Hafenverbund will hoch hinaus

Durch einen Kanal waren sie schon zuvor verbunden. Zum North Sea Port fusionierten die niederländischen Zeeland Seaports (Vlissingen und Terneuzen) und der flämisch-belgische Hafen Gent aber erst zum Jahresbeginn 2018.

Vergangenes Jahr folgte bereits der nächste Schritt des 60 Kilometer langen, grenzüberschreitenden Hafens: Im April 2022 unterzeichneten der North Sea Port und der Hafen von Göteborg eine Vereinbarung über eine enge Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt steht dabei der Aufbau eines Netzes mittelgroßer europäischer Häfen und die Arbeit am Energiemanagement in den Häfen. Durch die Zusammenarbeit wollen die Häfen außerdem ihre kommerziellen Interessen stärken und die Ladungsströme untereinander fördern.

Port of Antwerp-Bruges: Gemeinsam zum Welthafen der Zukunft wachsen

Über eine etwaige Zusammenarbeit der belgischen Häfen Antwerpen und Brügge hatte es immer wieder Spekulationen gegeben. Nach jahrelangen Diskussionen und Verhandlungen einigten sich die Städte im Februar 2021 über die Fusion ihrer beiden Häfen unter dem Namen Port of Antwerp-Bruges. Ihr Ziel: eine Stärkung der Position der Häfen in der globalen Lieferkette und nachhaltiges Wachstum.

Von Vorteil ist dabei, dass beide in hohem Maße komplementär sind: So ist Antwerpen stark beim Transport und der Lagerung von Containern, Stückgut und chemischen Produkten, während Zeebrügge ein wichtiger Hafen für den RoRo-Verkehr, den Containerumschlag und den Umschlag von Flüssigerdgas ist.

Dadurch gibt es einige Synergien: „Container, die in Antwerpen nicht umgeschlagen werden konnten, wurden nach Zeebrügge umgeleitet, wo Kapazitäten vorhanden waren“, berichtet Lennart Verstappen, Corporate Communication Advisor beim Port of Antwerp Bruges. In Sachen Flüssigmassengut habe es in Zeebrügge ein starkes LNG-Volumen gegeben, während der Umschlag von Chemikalien in Antwerpen leicht rückläufig gewesen sei. Allerdings: „Auf der Ebene des Gesamtumsatzes zeigt sich, dass der Rückgang bei den Containern durch die guten Ergebnisse in anderen Sektoren kompensiert wird.“

Haropa Port: Logistischer Korridor an der Seine-Achse für Waren aus aller Welt

Im Zentralstaat Frankreich war es eine nationale Hafenstrategie, die den Ausschlag gab. Im Juni 2021 fusionierten die drei französischen Häfen an der Seine-Achse, Le Havre, Rouen und Paris, zu einer einzigen öffentlichen Einrichtung. 2012 hatten sie auch schon die wirtschaftliche Interessenvereinigung Haropa gegründet.

Ziel war es, unter anderem die Größendimension zu ändern, resilienter gegenüber konjunkturellen Veränderungen und externen Einflüssen zu werden, Marktanteile im gesamten Flusskorridor zurückzugewinnen und die Steuerung zu vereinheitlichen. Außerdem sollte Paris eine maritime Absatzmöglichkeit verschafft werden und durch nachhaltige Transporte ins Hinterland die Energiewende gefördert werden.

Auch wenn die drei Häfen zuvor keine Konkurrenten darstellten und jeweils ihre Spezialgebiete, Stärken und Schwächen (Container für Le Havre, Getreide und Agrarindustrie für Rouen, Binnenschiffstransport von Baumaterialien und Stadtlieferungen für Paris) hatten: Befürchtungen, die eher historischkulturell als wirtschaftlich geprägt waren, gab es dennoch. Keiner der Standorte wollte seine jeweiligen Besonderheiten, seine eigene Identität und seine Organisation verlieren. Gelöst wurde diese Situation durch die Einführung einer neuen Unternehmensführung unter Einbeziehung aller Interessengruppen. (cb)