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Partner und Investor oder „gefräßiger Drache“?

An China scheiden sich die Geister. Während die einen durch die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik auf den wirtschaftlichen Erfolgszug aufspringen wollen, heben die anderen warnend den Zeigefinger vor der Verheißung aus Fernost.

Foto: Shutterstock/Maxx-Studio

Auf der einen Seite präsentiert sich das Reich der Mitte als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, als größter Handelspartner Deutschlands und als höchst aktiver Investor in Europa. Auf der anderen Seite verweisen viele Experten auf die schwächelnde Binnennachfrage in China und darauf, dass das Land mit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 zwar weitgehende Verpflichtungen zur eigenen Marktöffnung angekündigt habe, diesen aber nicht die erforderlichen Taten folgen lasse. Dabei monieren sie insbesondere mangelnde faire Wettbewerbsbedingungen sowie fehlende verlässliche Rahmenbedingungen. Vor diesem Hintergrund wagen zahlreiche Akteure, nicht nur in der maritimen Wirtschaft und Logistik, einen echten Spagat: Sie wollen die Chancen, die in Chinas wirtschaftlicher Entwicklung liegen, im eigenen Interesse nutzen – dabei aber nicht außer Acht lassen, dass in der Zusammenarbeit auch Gefahren lauern können. Denn bisher ist nicht klar, ob man sich einem ambitionierten Partner und solventen Investor mit ins Boot geholt hat oder einen Rivalen, der mancherorts schon als „gefräßiger chinesischer Drache“ betitelt wird.

Kooperationen mit Konfliktpotenzial

„Vor allem das Kerngeschäft der deutschen Exportwirtschaft in den Bereichen Maschinenbau, Kfz und Kfz-Teile, Elektrotechnik sowie Chemie kann von der Zusammenarbeit mit China profitieren“, meint Katharina Viklenko, China-Expertin bei Germany Trade & Invest (GTAI), der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere die intensiven bilateralen Wirtschaftsbeziehungen würden den Unternehmen zahlreiche Absatz- und Investitionsmöglichkeiten bieten. So arbeiteten beispielsweise Firmen beider Länder in Zukunftsfeldern wie Robotik, autonomes Fahren oder Industrie 4.0 zusammen. „Diese Kooperationsfelder bieten aber auch Konfliktpotenzial, wie beispielsweise die aktuelle Debatte zur Beteiligung von Huawei am Ausbau des ­5G-Netzes aufzeigt“, so Viklenko.

Für sie entwickelt sich das Reich der Mitte zunehmend zu einem Konkurrenten für die EU und für Deutschland, insbesondere auf Drittmärkten. „Da die Aktivitäten chinesischer Unternehmen nicht nur im In-, sondern auch im Ausland ­politisch und finanziell von der chinesischen Regierung unter­stützt werden, können deutsche und europäische ­Firmen kaum mithalten“, so Viklenko. Als Beispiel dafür nennt sie Afrika, wo die EU ihre Rolle als wichtiger Lieferant zunehmend an China abtreten muss. „Seit dem Jahr 2000 verlor sie anteilig 18,6 Prozentpunkte an den ­afrikanischen Importen, während die Volksrepublik um 17,3 Prozentpunkte­ zulegte. Ähnlich zeigt sich die Situation in Lateinamerika, wo sowohl die EU als auch Deutschland Federn lassen mussten“, warnt Viklenko.

Ein weiterer Knackpunkt: Während ausländische Investoren in Deutschland wie heimische Firmen behandelt werden, sobald sie sich angesiedelt haben, unterliegen deutsche Firmen in China zahlreichen Beschränkungen. „Dazu zählen Joint-Venture-Zwänge, ein erschwerter Zugang zu öffentlicher Beschaffung, Eingriffe in ausländische Unternehmen von Parteikadern sowie die Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Firmen, unter anderem durch Subventionen und die Bevorzugung chinesischer Staatsunternehmen“, erläutert Viklenko. Deshalb sieht sie erheblichen Handlungsbedarf, um Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Ihren Standpunkt dazu umreißt sie wie folgt: „Für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der bilateralen Zusammenarbeit ist es notwendig, dass die Volksrepublik ihre Märkte weiter öffnet und ­systematische Reformen in die Wege leitet. Denn nur durch echten Wettbewerb entstehen produktive Ergebnisse und gute Produkte, von denen beide Seiten gleichermaßen profitieren.“ Das im März 2019 verabschiedete neue Investitionsgesetz für ausländische Investitionen könnte dabei ihrer Ansicht nach eine wichtige Signalwirkung haben, sofern die Erwartungshaltungen zu mehr Rechtssicherheit nicht enttäuscht werden.

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Ein wichtiges Element der neuen Seidenstraße ist der Transport von Gütern auf der Schiene. Dementsprechend wächst die Anzahl der Containerzüge zwischen China und Europa stetig an. (Foto: Shutterstock)

Neue Seidenstraße mit oder ohne Endpunkt

Zu den größten Herausforderungen im wirtschaftlichen Zusammenspiel mit China dürfte in den nächsten Jahren auch das 2013 vom Reich der Mitte initiierte Infrastrukturprogramm der neuen Seidenstraße gehören, das den offiziellen Projektnamen „Belt & Road Initiative“ trägt. Dafür sollen die Wege der historischen Seidenstraße mit zahlreichen Maßnahmen zu Land und zu Wasser wiederbelebt werden, um den Ausbau der internationalen Handelsbeziehungen mit einem neuen Netzwerk zwischen Fernost und Westeuropa voranzutreiben. Ein Projekt, das aber nicht uneingeschränkt auf Begeisterung stößt.

„Zum einen hat die neue Seidenstraße das Potenzial, dringend benötigte Infrastruktur aufzubauen und zusätzlich mit Investitionen in unterschiedlichen Sektoren die wirtschaftliche Entwicklung in den betreffenden Ländern voranzutreiben. Zum anderen mangelt es einigen Projekten aber an Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit“, fasst Lisa Flatten, Koordinatorin neue Seidenstraße bei GTAI, die Lage ­zusammen. Außerdem erhöhe sich durch die Kredit­vergaben chinesischer Finanzinstitutionen die Schuldenlast für Länder, die meist sowieso schon ein hohes Verschuldungsrisiko aufweisen, so ihre Meinung. Daher werde am Ende in erster Linie Chinas Wirtschaft von der Initiative profitieren, ­während deutsche Firmen eher indirekt als durch eine ­direkte Beteiligung Erfolge verbuchen könnten. „China wird versuchen, die Initiative auf so viele Länder wie möglich auszudehnen. Einen wirklichen regionalen Endpunkt der neuen Seidenstraße wird es daher vermutlich nicht geben“, so ihre ­Einschätzung. Damit widerspricht sie all denjenigen, die schon jetzt versuchen, ihren Standort als definiten Endpunkt des Projekts zu positionieren.

Unterstützung erfährt Flatten auch durch Christoph Bruns, Geschäftsführer der Bremischen Hafenvertretung (BHV) und Managing Partner des Sachverständigenbüros Mund + Bruns. Er sagt: „Allein die Tatsache, dass einzelne Staaten, Städte und Häfen für sich reklamieren, dass sie das Ende der Seidenstraße sind, zeigt mir, dass sie das Konzept von Logistik noch nicht begriffen haben. Allerdings finde ich es begrüßenswert, wenn sich Politik und Wirtschaft über Staatsgrenzen hinweg aus wirtschaftlichen, politischen und vor allem umweltschützenden Erwägungen heraus Gedanken über neue Transportwege und Infrastrukturen machen.“

Respektvoller Umgang als größte Herausforderung

In der Zusammenarbeit mit China hat Bruns in den vergangenen Jahren erhebliche Verbesserungen ausgemacht. So sei es vor einigen Jahren für europäische Unternehmen noch deutlich schwieriger und umständlicher gewesen, eine ­direkte Niederlassung in China zu gründen. „Früher ­musste man den Umweg über eine Gesellschaft in Hongkong ­machen, heute ist es wesentlich einfacher und transparenter, in China aktiv zu werden“, so der BHV-Geschäftsführer. Wichtig ist dabei immer, zu akzeptieren, dass es in China ­andere Wertigkeiten und Vorstellungen von einem wirtschaftlichen und kulturellen Miteinander gibt als bei uns: „Egal, ob man die Globalisierung verteufelt oder sie als Heilsbringer für unsere globale Wirtschaft ansieht – es ist wichtig, dass wir immer respektvoll miteinander umgehen. Und genau dieser respektvolle Umgang ist die größte Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.“ Als wichtigstes Arbeitsgerät dafür sieht er die Kommunikation an – wohl wissend, dass der Umweg über die englische Sprache zwar hilfreich ist, aber auch eine Vorgehensweise bedeutet, bei der viele Informationen verloren gehen.

Aus seiner Erfahrung weiß er aber auch, dass Chinesen grundsätzlich in einem größeren Rahmen denken und auf längere Sicht planen, als dies in Deutschland und Europa der Fall ist. „Wir dürfen nicht erwarten, dass sich in China Prozesse entwickeln, die große Veränderungen innerhalb von Monaten oder innerhalb von europäischen Legislaturperioden möglich machen. Auch dürfen wir nicht glauben, dass eine aggressive und provokante politische Einmischung in die chinesische Staatsräson und Tagespolitik eine unmittelbare Wirkung ausübt. Hier hat sich gezeigt, dass der Weg der ehrlichen und offenen Partnerschaft ohne publikumswirksame oder parteipolitisch angehauchte Kommunikation viel effektiver und gesünder ist“, zeigt er einen möglichen Erfolgsweg auf.

China ist die Nummer zwei in den bremischen Häfen

In den bremischen Häfen besitzt der Warenaustausch mit China eine große handelsstrategische Bedeutung. „Traditionell ist zwar der USA-Verkehr die starke Basis des ­Umschlags in Bremen und Bremerhaven, aber der Handel mit China kommt bereits an zweiter Stelle“, so bremenports-­Geschäftsführer Robert Howe. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Von den rund 74,4 Millionen Tonnen, die 2018 in den bremischen Häfen seeseitig umgeschlagen wurden, ­gingen circa 18,4 Millionen Tonnen (25 Prozent) in die USA ­beziehungsweise kamen von dort. Im Fall von China waren es rund 6,1 Millionen Tonnen (neun Prozent). Auch bei den ­Containertransporten im kleinsten Bundesland Deutschlands rangieren die USA vor China. Hier entfielen 2018 rund 15,9 Millionen Tonnen (28 Prozent) auf die Vereinigten Staaten und rund sechs Millionen Tonnen (elf Prozent) auf den Staat in Ostasien. „Insbesondere beim Containerverkehr mit China gibt es für die Zukunft noch viel Wachstumspotenzial. Unsere Hafeninfrastruktur bietet hier beste Voraussetzungen für Containerschiffe der neuesten Generation“, hat Howe bereits ausgemacht, wo man die Hebel zu weiterem Wachstum ansetzen kann.

Ähnlich schätzt auch Timo A. Schön, Geschäftsführer der Seaports of Niedersachsen, die aktuelle Situation ein. Seiner Aussage nach entfallen in Cuxhaven, Wilhelms­haven, Brake und Emden zurzeit rund 2,68 Millionen Tonnen – und damit etwas mehr als fünf Prozent der in den Häfen von Niedersachsen umgeschlagenen 53,5 Millionen Tonnen – auf die Verkehre von und nach China. „Die Bedeutung ­Chinas als Wirtschaftspartner für die maritime Industrie Niedersachsens zeigt sich nicht nur an dem ausgeprägten Anteil von umgeschlagenen Containern am JadeWeserPort. Sie wird auch durch chinesische Investitionen in die ­niedersächsischen Hafenstandorte, hier exemplarisch Titan Wind Energy in Cuxhaven oder China Logistics in Wilhelmshaven, unterstrichen. Darüber hinaus bleibt China weiterhin ein wichtiger Absatzmarkt für unsere niedersächsische ­Unternehmen wie zum Beispiel Volkswagen.“

Shanghai (l.) ist die größte Stadt in China und gilt als globaler Finanzplatz. Vom dortigen Hafen, dem größten Containerhafen der Welt, werden auch zahlreiche Boxen in die bremischen Häfen, wie hier (r.) nach Bremer­haven, transportiert. Insgesamt ist China im Warenaustausch mit den bremischen Häfen die Nummer zwei nach den USA. (Foto: Bremenports)

„8.000 Fahrzeuge wurden im Jahr 2019 auf diese Weise nach China gebracht.“

Stefan Nousch
Vertriebsleiter bei der BLG Automobile Logistics

In 20 Tagen von Bremerhaven nach Chongquing

Wie effizient mit den Chinesen zusammengearbeitet werden kann, zeigt beispielsweise die BLG LOGISTICS GROUP in ihrem Geschäftsbereich Automobile. Dort werden pro Jahr 6,3 Millionen Fahrzeuge umgeschlagen, bearbeitet und per Zug, Lkw oder Schiff in die ganze Welt transportiert – auch nach China. In das Reich der Mitte besteht seit April 2019 auch eine regelmäßige Eisenbahnverbindung zwischen ­Bremerhaven und Chongqing, die Teil der „One Belt, one Road“-Initiative ist. Dabei startet zweimal pro Woche ein Zug mit bis zu 44 Waggons in der Seestadt auf der landseitigen Seidenstraße und erreicht 20 Tage später mit seiner Ladung die 32-Millionen-Metropole im Zentrum Chinas. „Während der Großteil der Handelsgüter von und nach ­China auf der wasserseitigen Seidenstraße verschifft wird, eignet sich der Warenverkehr über die Schiene vor allem für hochwertige und saisonkritische Waren“, erläutert Stefan Nousch, Vertriebsleiter bei der BLG Automobile Logistics. Auch ein renommierter Automobilkunde der BLG nutzt diese land­seitige Option. Dafür werden seine Sportwagen per Bahn und Lkw angeliefert und in Bremerhaven sortiert und eingelagert. Während viele Kunden sich dann für den Weg über die Kaje auf das Schiff in Richtung China entscheiden, nehmen die besagten ­exklusiven Wagen den Weg über die Containerpackstation, wo sie für den Containerversand vorbereitet und sicher verpackt werden, bevor ihre Zugreise nach Chongqing beginnt. „8.000 Fahrzeuge wurden im Jahr 2019 auf diese Weise nach China gebracht“, bilanziert Nousch.

Dementsprechend gilt das BLG-Terminal in Bremerhaven als wichtiges Drehkreuz für Fahrzeugexporte nach ­China. Die Hersteller können noch hierzulande entscheiden, ob ihre ­Autos die Reise nach Asien per RoRo-Schiff oder mit der Bahn antreten sollen. „Mit einem Start- und Endpunkt in Bremerhaven verfügt das Autoterminal über ein logistisches Allein­stellungsmerkmal für den Handel der Automobilindustrie mit China“, so Nousch. Für ihn steht daher fest: „Aus Sicht der Fertigfahrzeuglogistik bietet die neue Seidenstraße­ ­zusätzliche Logistik- und Transportlösungen für den Im- und Export“.

Cuxhaven macht sich für China attraktiv

Auch in Cuxhaven gewinnt der chinesische Markt zunehmend an Bedeutung. So hat beispielsweise der chinesische Konzern Titan Wind Energy über seine europäische Tochter­gesellschaft die Geschäfte der insolventen Ambau GmbH, eines Herstellers von Türmen und Gründungsstrukturen für Offshore- und Onshore-Windenergieanlagen, übernommen. Die Chinesen wollen auf diese Weise ihr Europageschäft von Cuxhaven aus ausbauen. Um darüber hinaus Lang- und Schwerguttransporte – wie sie zum Beispiel für den Windkraftanlagenhersteller Vestas Wind Systems per Seeschiff von China nach Cuxhaven kommen –, problemlos auf der Straße weitertransportieren zu können, wurde jüngst der Kreisel am Ende der A27 baulich so verändert, dass dort die Durchfahrt nun uneingeschränkt möglich ist. Derzeit nutzen bereits einige global operierende Logistikunternehmungen Cuxhaven als Umschlagsplatz für Container aus China, die per Bahn oder Lkw an die Elbmündung kommen und dann mit den täglichen Fähren der Reederei DFDS weiter nach ­Immingham in Großbritannien verschifft werden. „Gegenwärtig laufen zudem Bestrebungen, auf umgekehrtem Weg Pkw aus englischer Produktion in Container zu stuffen und per Eisenbahn nach China zu bringen“, so Oliver Fuhljahn, Standortmanager Cuxhaven der Seaports of Niedersachsen. (bre)

„8.000 Fahrzeuge wurden im Jahr 2019 auf diese Weise nach China gebracht.“

Stefan Nousch
Vertriebsleiter bei der BLG Automobile Logistics

Made in Germany trifft auf chinesischen Fleiß

Um eine aktuelle Markteinschätzung zu erhalten, hat der LOGISTICS PILOT Experten in Bremen und Niedersachsen unabhängig voneinander befragt. Dabei haben sowohl Dr. Sandra Heep, Professorin für Wirtschaft und Gesellschaft Chinas sowie Leiterin des ­China-Kompetenzzentrums an der Hochschule Bremen, als auch Professor Michael Zhengmeng Hou, China-Beauftragter und Leiter des Kompetenzzentrums an der Technischen Universität Clausthal, vor allem die Wichtigkeit einer gemeinsamen Verständigung betont.
Inwieweit können deutsche Firmen von der Zusammenarbeit mit China profitieren? Oder meinen Sie, dass sich Chinas globaler Einfluss negativ auf Deutschland auswirken wird?
Prof. Heep: Aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichts und seiner nach wie vor hohen Wachstumsraten bleibt China für deutsche Unternehmen ein wichtigerAbsatzmarkt. Zudem können Letztere von der Zusammenarbeit mit kapitalstarken chinesischen Investoren profitieren. Darüber hinaus bieten sich mit der zunehmenden Internationalisierung chinesischer Unternehmen auch Möglichkeiten zur Kooperation zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen auf Drittmärkten.
Prof. Hou: Vor allem viele große Firmen in Deutschland profitieren von China als größtem Markt weltweit. Ein Beispiel ist die Volkswagen Group China, die im Jahr 2018 mit 4,21 Millionen gelieferten Fahrzeugen an chinesische Kunden ein Rekordergebnis auf dem Pkw-Markt verzeichnen konnte. Ein weiteres Beispiel ist das in Clausthal-­Zellerfeld angesiedelte Unternehmen Sympatec GmbH, das Instrumente zur Analyse von Partikelgröße und -form entwickelt und damit den chinesischen Markt seit mehr als 25 Jahren erfolgreich bedient. Ich denke allerdings nicht, dass sich Chinas globaler Einfluss negativ auf Deutschland auswirken wird, weil Deutschland selbst immer eine entscheidende Position in der Weltpolitik und -wirtschaft hat und haben wird.
Seit einiger Zeit ist ein rasanter Anstieg chinesischer Investitionen in Deutschland zu verzeichnen, insbesondere im Bereich der Unternehmensübernahmen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Prof. Heep: Grundsätzlich sind chinesische Investitionen in Deutschland zu begrüßen. Allerdings sollten sie mit einem Abbau von Investitionshindernissen für deutsche Unter­nehmen in China einhergehen. Zudem sollten Politik und Wirtschaft in Deutschland nicht die Augen davor verschließen, dass chinesische Unternehmensübernahmen im Hochtechnologiebereich häufig im Kontext staatlich subventionierter Programme zum Aufkauf von Spitzen­technologie im Ausland erfolgen, die der internationalen Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie mittelfristig durchaus schaden könnten
Prof. Hou: Diese Aussage stimmt, muss aber relativiert werden, weil die deutschen Investitionen in China immer noch größer als die chinesischen Investitionen in ­Deutschland sind. Mit der rasanten Entwicklung Chinas haben dort vor allem private Unternehmen die Investitionschancen in Europa und insbesondere in Deutschland wegen der hohen Qualität und des Rufs „made in Germany“ wahrgenommen. Daher sehe ich diese Entwicklung als eine logische Konsequenz des rasanten Wachstums Chinas in den letzten 40 Jahren. Allerdings sollten einerseits die Investitionsbedingungen beider Länder angeglichen und Barrieren abgebaut werden. Andererseits müssen Investitions­regulierungen in Form von staatlichen Kontrollen getroffen werden, die beispielsweise die vollständige Übernahme von sensiblen Hightech-Unternehmen durch Investoren eines jeweiligen Landes schützen.
Sehen Sie in der neuen Seidenstraße eher einen Fluch oder einen Segen?
Prof. Heep: Der im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative geplante Infrastrukturausbau hat das Potenzial, die globale Vernetzung zu verbessern und der Weltwirtschaft damit neue Wachstumsimpulse zu verleihen. Allerdings stoßen viele geplante Projekte bei der Umsetzung auf technische, finanzielle oder politische Hindernisse. Der Erfolg dieser Initiative hängt daher davon ab, ob es der chinesischen Regierung gelingt, diese Hindernisse in Kooperation mit ihren internationalen Partnern – beispielsweise durch eine Verständigung auf tragfähige Finanzierungsmodelle – zu überwinden.
Prof. Hou: Ich sehe die neue Seidenstraße als einen Segen: Deutschland und China können so gemeinsam vor allem in Drittländern weitere Groß­projekte realisieren, wobei sich beide Länder als Partner und nicht als Rivalen sehen müssen. China ist sehr daran interessiert, weitere Schritte vor allem gemeinsam­ mit Deutschland zu gehen, es darf jedoch auch nicht in einer Einbahnstraße enden. So stellen die Kombination aus deutschem Handwerkergeist und Ingenieurskunst sowie das Label „made in Germany“ gepaart mit dem Fleiß und der hohen Flexibilität der Chinesen aus meiner Sicht eine Win-Win-Situation vor allem für Drittländer entlang der neuen Seidenstraße dar.