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Magazin für Häfen, Schifffahrt und Logistik

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Bei allem Konkurrenzdenken zwischen Österreichern und Deutschen zeigt sich: In vielen Bereichen geht es nicht ohne den anderen. Experten beleuchten nachfolgend die wirtschaftlichen und logistischen Verflechtungen – und stellen Erfolgsprojekte und Baustellen vor.

Fotos: iStock/paulbranding, Freepik/vectorpouch

Weitere Fotos:  Deutsche Handelskammer in Österreich, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien, TFG Transfracht, iStock-yenwen, Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), LogServ (2), ÖBB-Zenz, LogServ, TFG Transfracht, iStock/FooTToo

Noch nie war das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich so entspannt und so eng wie heute. Dabei verbinden die beiden Nachbarländer nicht nur zahlreiche Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Sprache und ihrer Kultur, sondern vor allem auch tief verflochtene politische und wirtschaftliche Beziehungen. Das spiegelt sich unter anderem im beidseitigen Handelsvolumen wider, das im Jahr 2019 über 100 Milliarden Euro betrug. „Österreich exportierte 2019 Waren im Wert von rund 45 Milliarden Euro nach Deutschland. Das sind fast 30 Prozent aller Exporte, die Deutschland zum mit Abstand wichtigsten Abnehmerland für Österreich machen – weit vor den USA und Italien“, ordnet Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich, diese Zahlen ein. Auf umgekehrtem Weg hat Deutschland 2019 Waren im Wert von 66 Milliarden Euro nach Österreich exportiert. Damit ist unser Nachbar im Süden das siebtwichtigste Destinationsland für Güter aus Deutschland.

Erfolge sind aneinandergekoppelt

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf die grenzüberschreitenden Investitionen. Hier ist die Bundesrepublik mit 54,3 Milliarden Euro der bedeutendste Investor Österreichs innerhalb Europas. Umgekehrt fließen aber auch 31,4 Milliarden Euro an österreichischen Investitionen nach Deutschland. „Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die zeigen, wie eng der Erfolg des einen mit dem des anderen gekoppelt ist“, so Gindele. Dabei blickt er insbesondere auf die Marktsegmente Maschinenbauerzeugnisse und Automobilkomponenten: „Österreich ist ein erfolgreicher Automobilzulieferer für eine Vielzahl namhafter Markteilnehmer, vor allem was Sicherheits- und Bremssysteme sowie Airbags und Luxuslenkräder betrifft. Darüber hinaus befindet sich das weltweit größte Motorenwerk von BWM in Steyr.“ Für Ralf Beste, den deutschen Botschafter in Wien, steht daher fest: „Die Hälfte der deutschen Autos würde ohne österreichische Komponenten vermutlich nicht rollen.“

Eine wachsende Bedeutung attestieren die beiden Österreich-Experten auch der österreichischen Holz- und Metallverarbeitung sowie dem kunststoffverarbeitenden Gewerbe. „Hier haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche kleinere und mittlere Betriebe entwickelt, die in ihren Nischen hervorragende Arbeit leisten und Produkte auf gehobenem Niveau abliefern“, so Gindele. Mit Blick auf wichtige Wirtschaftsfaktoren des Landes führt Beste überdies die verkehrsgeografische Bedeutung Österreichs in Feld: „Durch die zentrale Lage in Mitteleuropa besitzt die Alpenrepublik eine bedeutende Funktion als Transitland. Das gilt sowohl für die Nord-Süd- als auch für die Nord-Südost- und die Ost-West-Relationen.“

„Deutschland ist mit Abstand das wichtigste Abnehmerland für Österreich.“

Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich

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Die Schiene ist nach der Straße die zweitwichtigste Verkehrsader für die Alpenrepublik. Über diesen Verkehrsträger werden seit zehn Jahren mehr als 100 Millionen Tonnen pro Jahr transportiert.

Die Straße als Hauptverkehrsader

Die wichtigste Verkehrsader für die Österreicher ist dabei die Straße. Laut Statistik Austria ist das dortige Transportaufkommen rund viermal so hoch wie auf der Schiene. So wurden allein im Jahr 2019 mehr als 402 Millionen Tonnen Fracht über die Straßen und Pässe des Landes transportiert, vor allem über den Brennerpass. Die Bedeutung der Betonpisten wächst seit 2013 (damals 325 Millionen Tonnen) kontinuierlich, was sich in jährlich steigenden Zahlen widerspiegelt. Etwas anders sieht die Lage beim Verkehrsträger Schiene aus. Hier pendelten sich die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren zwischen 100 und 108 Millionen Tonnen pro Jahr ein – 2019 waren es knapp 102,5 Millionen Tonnen. Im Vergleich dazu erscheint der Anteil der Binnenschifffahrt mit einem Transportaufkommen von 8,5 Millionen Tonnen in 2019 verhältnismäßig gering. Doch Beste macht deutlich: „Für ein Binnenland ist das schon ganz schön viel Hafen.“ Angesichts dieser Verteilung auf die Verkehrsträger im Allgemeinen und die wachsende Transit-problematik im Besonderen rät er, darüber nachzudenken, wie Österreich mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern kann. „Unabhängig von den daraus resultierenden Lösungsoptionen verfügt Österreich aber schon jetzt über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz und bietet ein hohes Maß an Energie- und Logistiksicherheit“, ergänzt Gindele.

Verlagerung auf die Schiene

Ein Befürworter für die Entlastung der Straßen durch intelligente Bahnlösungen ist Alfred Wolfram, bremenports-Repräsentant in Österreich und Obmann des Fachverbands Spedition und Logistik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Er betont jedoch, dass diese Lösungen nicht von heute auf morgen aus dem Boden gestampft werden können und verweist auf das Projekt „Zielnetz 2025+“ der ÖBB Infrastruktur. Die Teilgesellschaft der ÖBB-Holding, die neben dem Betrieb und der Wartung des österreichischen Schienennetzes auch für die Planung, Projektierung und den Bau der Schieneninfrastruktur verantwortlich ist, hat darin ihre Strategie für eine langfristige Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur in Österreich festgeschrieben. Zu den dort formulierten Schwerpunkten gehören unter anderem der Ausbau der Weststrecke zwischen Wien und Salzburg, der Südstrecke zwischen Klagenfurt und Wien als Teil eines baltisch-adriatischen Bahnkorridors und der Ausbau der Brennerstrecke zur Stärkung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs auf dem Skandinavien-Mittelmeer-Korridor. „All das sind wichtige Teillösungen, die aber kein Allheilmittel zur Entlastung der Straßen sind“, so Wolfram, der sein Land primär mit zwei Verkehrsproblemen konfrontiert sieht: „Zum einen haben neun von zehn Lkw, die auf österreichischen Autobahnen fahren, ein Kennzeichen aus dem Ausland und wickeln überwiegend Transitverkehr ohne Wertschöpfung für Österreich ab. Da wären mit Sicherheit Alternativen auf der Schiene hilfreich.“ Zum anderen handele es sich bei zwei Dritteln der inländischen Transporte auf der Straße um Verkehre mit einem Radius von unter 160 Kilometern. „Und genau das sind die Strecken, auf denen sich Züge nicht rentieren und Lkw deutlich günstiger sind“, weiß Wolfram: Hier gelte es also, auch über Lösungsoptionen jenseits der Schiene nachzudenken.

„Die Hälfte der deutschen Autos würde ohne österreichische Komponenten vermutlich nicht rollen.“

Ralf Beste, deutscher Botschafter in Wien

Die Binnenschifffahrt ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Österreich. Hier besitzen insbesondere die Donauhäfen in Linz, Wien, Enns und Krems einen hohen Stellenwert.

Starkes Interesse an den Donauhäfen

An diesem Punkt könnten auch die Donauhäfen in Linz, Wien, Enns und Krems ins Spiel kommen, über die derzeit ein Großteil der Ladung auf dem Wasserweg umgeschlagen wird. Die vier genannten Standorte sind vor allem wichtige Anlaufhäfen für Schüttgut jeglicher Art. Darüber hinaus werden in Wien aber auch große Volumen von Automobilen und in Enns erhebliche Mengen an Holz verschifft. Als Werkshafen des stahlbasierten Technologie- und Industriegüterkonzerns voestalpine ist Linz zudem ein wichtiger Hub für spezialisierte Stahltransporte für die Automobil-, Hausgeräte- und Luftfahrtindustrie.

Zu den Partnern der österreichischen Häfen auf dem Wasserweg zählen auch die Häfen in Bremen und Niedersachsen. Zusammen wickeln sie rund zehn Prozent der Warenströme in die Alpenrepublik und von dort ab. Eine Erhöhung ihres Marktanteils scheint gegenwärtig aber kaum realistisch. Im Gegenteil: „In den zurückliegenden Jahren haben die Nordhäfen sogar eher Volumen an die Südhäfen verloren, als das sie neues hätten generieren können. Das liegt vor allem daran, dass viele Südhäfen ihre Kapazitäten in der jüngsten Vergangenheit erweitert haben und dass der Vor- und Nachlauf zu diesen Destinationen oft fünf bis acht Tage kürzer ist als zu den Nordhäfen“, erläutert Wolfram. Im Zuge dieser Entwicklung habe vor allem die Bedeutung des slowenischen Adria-Hafens Koper in der jüngsten Vergangenheit immer mehr zugenommen. Besonders geschätzt, vor allem für Containertransporte, würden aber auch die zuverlässigen Bahnverbindungen zwischen den österreichischen Standorten und Bremerhaven. „Sie sind in ihren Zeitabläufen optimal und werden deshalb vielfach dem Lkw-Transport vorgezogen“, so Wolfram.

„Neun von zehn Lkw, die auf österreichischen Autobahnen fahren, haben ein Kennzeichen aus dem Ausland.“

Alfred Wolfram, Obmann des Fachverbands Spedition und Logistik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)

Die Verladung von Grobblech (l.) und Coils (r.) gehört zum Tagesgeschäft von LogServ, der Logistiktochter der Steel Division des voestalpine-Konzerns.

Niedrigwasser und Kapazitätsengpässe

Aus einem der wichtigsten österreichischen Häfen, nämlich aus Linz, agiert LogServ, die Logistiktochter der Steel Division des voestalpine-Konzerns. Von dort aus transportiert das Unternehmen seine Stahlprodukte rund um den Globus und damit pro Jahr rund fünf Millionen Tonnen Stahl- und Großbleche. „Als Nischenanbieter für hoch spezialisierte Stahlprodukte beliefert die Steel Division ihre Schlüsselkunden weltweit. An vorderster Stelle steht die Automobilindustrie, aber auch Global Player im Maschinenbau oder im Energiebereich verlassen sich auf unsere Termintreue“, so Christian Janecek, Geschäftsführer von LogServ. Dabei werden die fertigen Stahlprodukte auf allen Verkehrsträgern transportiert. Der wichtigste davon ist für LogServ die Bahn, gefolgt vom Lkw und dem Binnenschiff.

Die Wahl des Verkehrsträgers richtet sich neben den Kosten und der Transportzeit vor allem nach den Dimensionen der Produkte. So werden beispielsweise Stahlcoils hauptsächlich per Bahn und Lkw transportiert, da mit Coilmulden in den Waggons und entsprechenden Lkw-Aufliegern bewährte Transportstandards zur Verfügung stehen. Besonders große, schwere und sperrige Sonderformate, wie Grobbleche und Kesselböden, lassen sich hingegen am einfachsten und kostengünstigsten per Binnenschiff transportieren. „Ist das logistisch nicht möglich, können wir diese Transporte aber auch per Bahn oder Lkw abwickeln. Die große Herausforderung besteht dann darin, Waggons und Auflieger mit den erforderlichen Spezifikationen zu finden“, so Janecek.

Neben den drei zuvor genannten Parametern gibt es für den LogServ-Geschäftsführer aber noch weitere Aspekte, die Auswirkungen auf die Logistik aus dem Binnenland Österreich haben können: „Beim Binnenschiff führt beispielsweise anhaltendes Niedrigwasser dazu, dass weniger Ladung an Bord genommen werden kann. Dieses Problem hatten wir zuletzt 2018 ganz massiv. Im Moment kämpfen wir von Woche zu Woche mit schwankenden Pegelständen.“ Problemfelder anderer Art sieht er aber auch bei den Verkehrsträgern Bahn und Lkw. „Im Zuge der Coronapandemie sind die Bahnprozesse noch nicht überall wieder voll angelaufen. Dadurch entstehen Lücken, die zu einer knappen Waggonverfügbarkeit führen.“ Auch auf der Straße ist die aktuelle Lage aus Janeceks Sicht alles andere als entspannt. Hier hätten zahlreiche Transporteure ihre Ressourcen coronabedingt so weit reduziert, dass LogServ am Markt nicht immer die erforderlichen Kapazitäten abrufen könne, die es für die Versendung der Stahlprodukte von voestalpine zu den internationalen Kunden benötigt.

„Die große Herausforde­rung besteht darin, Waggons und Auflieger mit den erforderlichen Spezifikationen zu finden.“

Christian Janecek, Geschäftsführer LogServ

Am KV sind verschiedene Verkehrsträger beteiligt, wobei der Lkw oftmals nur auf dem kürzesten Teil der Strecke eingesetzt wird.

Niedrigwasser und Kapazitätsengpässe

Aus einem der wichtigsten österreichischen Häfen, nämlich aus Linz, agiert LogServ, die Logistiktochter der Steel Division des voestalpine-Konzerns. Von dort aus transportiert das Unternehmen seine Stahlprodukte rund um den Globus und damit pro Jahr rund fünf Millionen Tonnen Stahl- und Großbleche. „Als Nischenanbieter für hoch spezialisierte Stahlprodukte beliefert die Steel Division ihre Schlüsselkunden weltweit. An vorderster Stelle steht die Automobilindustrie, aber auch Global Player im Maschinenbau oder im Energiebereich verlassen sich auf unsere Termintreue“, so Christian Janecek, Geschäftsführer von LogServ. Dabei werden die fertigen Stahlprodukte auf allen Verkehrsträgern transportiert. Der wichtigste davon ist für LogServ die Bahn, gefolgt vom Lkw und dem Binnenschiff.

Die Wahl des Verkehrsträgers richtet sich neben den Kosten und der Transportzeit vor allem nach den Dimensionen der Produkte. So werden beispielsweise Stahlcoils hauptsächlich per Bahn und Lkw transportiert, da mit Coilmulden in den Waggons und entsprechenden Lkw-Aufliegern bewährte Transportstandards zur Verfügung stehen. Besonders große, schwere und sperrige Sonderformate, wie Grobbleche und Kesselböden, lassen sich hingegen am einfachsten und kostengünstigsten per Binnenschiff transportieren. „Ist das logistisch nicht möglich, können wir diese Transporte aber auch per Bahn oder Lkw abwickeln. Die große Herausforderung besteht dann darin, Waggons und Auflieger mit den erforderlichen Spezifikationen zu finden“, so Janecek.

Neben den drei zuvor genannten Parametern gibt es für den LogServ-Geschäftsführer aber noch weitere Aspekte, die Auswirkungen auf die Logistik aus dem Binnenland Österreich haben können: „Beim Binnenschiff führt beispielsweise anhaltendes Niedrigwasser dazu, dass weniger Ladung an Bord genommen werden kann. Dieses Problem hatten wir zuletzt 2018 ganz massiv. Im Moment kämpfen wir von Woche zu Woche mit schwankenden Pegelständen.“ Problemfelder anderer Art sieht er aber auch bei den Verkehrsträgern Bahn und Lkw. „Im Zuge der Coronapandemie sind die Bahnprozesse noch nicht überall wieder voll angelaufen. Dadurch entstehen Lücken, die zu einer knappen Waggonverfügbarkeit führen.“ Auch auf der Straße ist die aktuelle Lage aus Janeceks Sicht alles andere als entspannt. Hier hätten zahlreiche Transporteure ihre Ressourcen coronabedingt so weit reduziert, dass LogServ am Markt nicht immer die erforderlichen Kapazitäten abrufen könne, die es für die Versendung der Stahlprodukte von voestalpine zu den internationalen Kunden benötigt.

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Beliebtes Reiseziel: Laut Statista sind 2020 rund 6,1 Millionen Personen aus Deutschland nach Österreich in den Urlaub gefahren.

Eine Lösungsoption – Kombinierter Verkehr

Ein weiterer Logistikspezialist im Handel mit Österreich ist die DB-Cargo-Tochter TFG Transfracht, die nach eigener Aussage über das dichteste Zugnetzwerk im Seehafenhinterland in Europa verfügt. Im Rahmen ihres AlbatrosExpress-Netzes verbindet sie die sechs Häfen in Bremerhaven, Wilhelmshaven, Hamburg, Koper, Rotterdam und Antwerpen mit den wichtigsten Wirtschaftszentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die Region Österreich steuert circa ein Zehntel des Gesamtvolumens zu unserem gesamten AlbatrosExpress-Netzwerk bei. Wir sind für die Speditionen, Reeder und Verlader dort vor allem deshalb interessant, weil wir aus einer Hand nahezu alle Umschlagsterminals in den genannten Häfen anbieten können“, so Frank Erschkat, Sprecher der Geschäftsführung von TFG Transfracht.

Aus seiner Sicht ist Österreich hauptsächlich ein Spediteursmarkt, „dessen Konzentration auf Carrier noch nicht in dem Ausmaß vorangeschritten ist wie in anderen Ländermärkten“. Zudem attestiert er der Alpenrepublik eine breite Palette logistischer Optionen – sowohl auf der Schiene als auch auf dem Wasser. „Durch seine geografische Lage kann Österreich eine Vielzahl an Verschiffungshäfen anlaufen. Die Möglichkeiten erstrecken sich von den deutschen Seehäfen zu den griechischen über die slowenischen, italienischen bis hin zu den Seehäfen im Westen“, so Erschkat. „Generell sind die deutschen Seehäfen für die verladende Wirtschaft in Österreich die Hauptanlaufpunkte, wenn es um Überseetransporte geht. Ausschlaggebend dafür sind die eng getakteten Frequenzen im Kombinierten Verkehr, aber auch die gute Hafeninfrastruktur und die Bahnanbindung in Deutschland“, ergänzt Erschkat.

Im Kombinierter Verkehr (KV) sieht der TFG Transfracht-Chef überdies einen Wachstumsmotor für den Schienengüterverkehr und eine treibende Kraft für klimafreundliche Transporte – nicht nur, was den Hinterlandverkehr nach Österreich betrifft. „Experten schätzen, dass sich der Marktanteil des KV am Schienengüterverkehrsmarkt bis zum Jahr 2030 in Richtung 35 Prozent erhöhen wird. Aus unserer Sicht ist der KV aber schon heute strategisch äußerst wichtig. Denn nur wer die Stärken der Verkehrsträger Schiene und Straße optimal verknüpft und den KV in seine Logistik integriert, ist bestens für mehr Nachhaltigkeit aufgestellt“, zeigt Erschkat eine mögliche Lösung zur Entlastung des Straßenverkehrs und zur Erreichung der internationalen Klimaschutzziele auf.

Mehr als nur ein Urlaubsland

Anhand der zuvor aufgezeigten wirtschaftlichen Verflechtungen und Einschätzungen aus der Praxis lässt sich laut Wolfram vor allem eines ablesen: „Österreich ist nicht nur ein attraktives Urlaubsland, sondern auch ein zuverlässiger Partner für Industrie und Wirtschaft – auch über die Grenzen Deutschlands hinaus.“ Nicht umsonst würden sich heute zahlreiche Österreicher bei namhaften deutschen Unternehmen in Führungspositionen befinden. Als einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsfaktor für die Leistungsstärke Österreichs sieht Gindele das Bildungssystem des Landes: „Es hat in den vergangenen Jahren flexibel und schnell auf neue Anforderungen in der Wirtschaft reagiert, insbesondere auf neue technische Entwicklungen oder auch den Trend zur Digitalisierung. Und mit einem Augenzwinkern hat Beste noch einen kleinen, aber feinen Unterschied ausgemacht, der der Alpenrepublik möglicherweise in Zukunft einen zusätzlichen Marktvorteil verschaffen könnte – nicht nur im Logistik- und Verkehrssektor: „Deutsche lieben Regeln, Österreicher haben einen besseren Blick für Auswege. Beides hat eine Menge für sich.“ (bre)

 

„Im KV sehen viele Marktteilnehmer einen Wachstumsmotor für die Schiene und eine treibende Kraft für klima­freundliche Transporte.“

Frank Erschkat, Sprecher der Geschäftsführung von TFG Transfracht

Das Linzer Diplom: Dokumentierte Unabhängigkeit

Das Linzer Diplom gilt als eine der wichtigsten Urkunden der Bremer Stadtgeschichte. Es wurde am 1. Juni 1646 durch Ferdinand III., den damaligen römisch-deutschen Kaiser und Erzherzog von Österreich, unterzeichnet. Mit seiner Unterschrift bestätigte er während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) die Reichsunmittelbarkeit der Stadt Bremen. Damit war Bremen im Zuge seines Strebens nach Selbständigkeit vom Druck eines direkten Landesherrn befreit und unterstand keiner anderen Herrschaft als dem Kaiser. Das erlaubte der Stadt ein großes Maß an Bewegungsfreiheit, die vor allem der Entwicklung des Handels und der Schifffahrt zugute kam. Rund 100.000 Gulden sollen die Bremer Ratsherren damals als Gegenleistung für die Unterschrift von Ferdinand III. bezahlt haben – nicht mit in diese Summe eingerechnet sind die inoffiziellen Nebenkosten und Bestechungsgelder, die je nach Quelle in ihrer Höhe stark variierten.

Seit 1998 wird das Linzer Diplom im Staatsarchiv Bremen aufbewahrt, nachdem es fast ein halbes Jahrhundert lang als verschollen galt. Während des Zweiten Weltkriegs war die Unabhängigkeitsurkunde nach Bernburg an der Saale ausgelagert worden, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Von dort aus haben sie vermutlich sowjetische Besatzungssoldaten 1946 nach Leningrad geschafft, wo sich ihre Spur verlor. Bis 1998, als sich herausstellte, dass sie während des Krieges in die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in Jerewan (Armenien) transportiert worden war. Danach ging es auf diplomatischem Wege schnell. Bereits im Mai 1998 übergab der armenische Außenminister Wartan Oskajan das Linzer Diplom zusammen mit mehr als 500 weiteren Schriftstücken aus bremischem, hamburgischem und lübeckischem Besitz an den deutschen Außenminister Klaus Kinkel. Und der ließ es schnell wieder nach Bremen bringen. (bre)