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Automatisierung, Digitalisierung – und dann? Wie sich diese Trends auf die Arbeit im Hafen auswirken, welcher Kompetenzen es künftig bedarf und welche Lösungsansätze es gibt, wird derzeit im Rahmen des IHATEC-Forschungsprojekts „Portskill 4.0“ erarbeitet. Fest steht bereits jetzt: Ohne Mitarbeiter wird es auch in Zukunft nicht gehen.

Menschen sind nicht nur der Schlüssel für eine erfolgreiche Automatisierung und Digitalisierung, sondern auch in Zukunft unersetzbar.

Fotos: ISTOCKPHOTOS/IAM ANUPONG/SIMON SKAFAR/AKINDO

Die Erweiterung der IHATEC-Fördertöpfe auf Themen rund um der Aus-, Fort- und Weiterbildung gab
den Anstoß: „Uns wurde dadurch die Tür geöffnet, konzeptionell den Hafen und auch uns selbst in diese Richtung weiterzuentwickeln und das Projekt „Portskill 4.0“ zu initialisieren“, berichtet Thomas Lührs, Projektleiter und Mitarbeiter des Konsortialführers maritimes competenzcentrum (ma-co). Weitere Partner sind die HHLA, die BLG Logistics Group und Patient Zero Games sowie Verdi und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) als assoziierte Partner.

Bei dem Projekt, das seit Dezember vergangenen Jahres und noch bis November 2025 läuft, geht es um zentrale Fragen der Zukunft in der Hafenwirtschaft: Welche Möglichkeiten ergeben sich durch die Digitalisierung und Automatisierung, und welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf den Menschen? „Wir schauen uns an, was die Technologie mit den Mitarbeitern macht“, unterstreicht Lührs.

„Portskill 4.0“ richtet sich insbesondere an Arbeitskräfte mit operativen Tätigkeiten wie Van-Carrier-Fahrer, Containerbrückenführer und Lascher. Angesprochen werden ebenso Mitarbeiter mit administrativen Tätigkeiten, beispielsweise Schiffsplaner, und solche, die sich um die Organisation und Steuerung eines Terminals kümmern. Zur dritten Gruppe zählen Techniker für Wartung und Service.

Untersucht werden insbesondere zwei Aspekte: zum einen, wie sich durch Automatisierung und Digitalisierung die Arbeitswelt verändert, und zum anderen, welche Auswirkungen sich daraus auf rund 30 Jobprofile, die Bestandteil des Projekts sind, ergeben. Das heißt, ob es diese künftig in veränderter Form oder überhaupt noch geben wird. Darauf aufbauend wird geprüft, inwieweit sich die benötigten Kompetenzen der Mitarbeiter, etwa Kenntnisse und Soft Skills, verändern – von mittelfristigem Anpassungsbedarf bis zu neuen Kompetenzprofilen. „Hierzu ziehen wir auch Studien zur Arbeit 4.0 aus anderen Branchen heran“, betont Lührs.

Digitales Test- und Trainingscenter

Aus den Fragestellungen werden zwei Zielsetzungen entwickelt: Erstens soll ein digitales Test- und Trainingscenter entstehen, und zweitens sollen die sozioökonomischen Auswirkungen untersucht werden. „Für das digitale Test- und Trainingscenter setzen wir auf Lernwelten mit Computersimulationen, Videoleinwänden, AR- und VR-Brillen und entwickeln Trainingsszenarien für verschiedene Jobprofile und Rollen“, erläutert der Projektleiter.

Inhaltlich kann es dort um Fachliches wie digital-technische Fähigkeiten ebenso gehen wie um Soft Skills, beispielsweise Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenz. Ein besonderer Vorteil des vernetzten digitalen Trainings: Hier lassen sich Lerninhalte gut im Kontext der Gesamtprozesse vermitteln. „Künftig ist immer mehr Wissen für das große Ganze erforderlich, zum Beispiel, wie sich eine Handlung auf die gesamte Lieferkette auswirkt“, betont Lührs.

Wichtig sei es zudem, Flexibilität und Lernbereitschaft zu fördern, weil sich die Welt künftig deutlich schneller verändern wird. „Lebenslanges Lernen wird weiter an Bedeutung gewinnen“, erwartet Lührs. „Deshalb werden informelles Lernen und Lernmethodik an Bedeutung gewinnen.“ Im Trainingscenter sollen daher auch webbasierte Anwendungen und Apps für Smartphones entwickelt werden, mit denen die Mitarbeiter dann im Alltag weitertrainieren können.

Eine besondere Herausforderung sei es allerdings, die Aus- und Weiterbildung neben dem Job so sinnvoll und interessant wie möglich zu gestalten, damit Mitarbeiter auch über einen längeren Zeitraum fünf bis zehn Minuten täglich am Ball bleiben. Außerdem sei es für viele Arbeitgeber noch nicht selbstverständlich, dass sich ihre Mitarbeiter während der Arbeitszeit fortbilden und eigenständig Trainingseinheiten durcharbeiten.

Sozioökonomische Auswirkungen

Dass der Kulturwandel aufgrund von Digitalisierung und Automatisierung auch Sorgen schürt, wird im Rahmen des Projekts stets im Blick behalten. Neben dem Lernen im digitalen Test- und Trainingscenter geht es daher mithilfe von Gesprächen und der Analyse von Studien auch um die Untersuchung der sozioökonomischen Auswirkungen. „Die Befürchtung, dass durch die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung Jobs in der Hafenwirtschaft verloren gehen, ist natürlich groß“, sagt Lührs. „Dabei bedeutet beides in vielen Fällen nicht, dass die bisherige Tätigkeit komplett wegfällt.“

Ein Beispiel: Wenn der Schiffsplaner heute die Daten für den Stauplan manuell eingibt, kann das zwar künftig auch künstliche Intelligenz übernehmen. Doch diese ist nur so gut, wie sie programmiert wurde. Menschen bedarf es weiterhin dafür. Allerdings: „Viele Tätigkeitsschwerpunkte verlagerten sich zur Problemlösung hin, das heißt, Kompetenzen würden verschoben“, so Lührs.

„Uns ist es wichtig, die Menschen auf dieser Reise in eine sich stark verändernde Arbeitswelt mitzunehmen“, stellt der Projektleiter heraus. So sei es nicht damit getan, beispiels-weise Brückenfahrer nicht mehr oben, sondern im Leitstand einzusetzen. Im Projekt gehe es vielmehr darum, wie Mitarbeiter anders qualifiziert werden und welche Trainingsmaßnahmen erforderlich sind, wenn sich ihre Jobs verändern.

„Wir wollen Handlungsempfehlungen auch in Richtung der Arbeitgeberseite geben, um den Kulturwandel zu unterstützen und Changeprozesse umzusetzen“, so Lührs. „Daher müssen wir stets berücksichtigen, was solche Veränderungen mit den Mitarbeitern machen. Es gilt herauszufinden, wer für welche Jobs geeignet ist, wer was will und was mit denjenigen ist, die das nicht wollen.“ Viele Projekte verzögerten sich oder scheiterten nur, weil die Betreffenden Blockaden aufbauen, meint Lührs. „Man muss daher unbedingt die Menschen entsprechend coachen und mitnehmen.“ (cb)

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Thomas Lührs, Projekteiter und Mitarbeiter des Konsortialführers ma-co (maritimes competenzcentrum)

„Viele Tätigkeitsschwerpunkte verlagern sich zur Problemlösung hin, das heißt, Kompetenzen werden verschoben.“

Thomas Lührs, Projekteiter und Mitarbeiter des Konsortialführers ma-co (maritimes competenzcentrum)

Fakten

Projekt Portskill 4.0

Inhalt: Hafenarbeit der Zukunft
Laufzeit: Dezember 2021 bis November 2025
Verbundkoordinator: maritimes
competenzcentrum (ma-co)
Partner: BLG LOGISTICS GROUP, HHLA,
Patient Zero Games, Verdi und Zentralverband
der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS)
Projektvolumen: 3,2 Millionen Euro
Förderung: Innovative Hafentechnologien (IHATEC)

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