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Gemeinsam für German Ports

Die IT-Dienstleister dbh Logistics IT und Dakosy haben eine deutsche Lösung für den digitalisierten und einheitlichen Freistellungsprozess von Importcontainern in Hamburg, Bremerhaven, Bremen und Wilhelmshaven entwickelt. Das könnte eine Blaupause für mehr Kooperation zwischen den Häfen sein.

Fotos: PIXABAY/KARSTENBERGMANN/
TASSILO111/FOSSANE, PRIVAT,

Wie sich der Wind gedreht hat, symbolisieren die Fusionsgespräche zwischen den Terminalbetreibern HHLA und EUROGATE wohl am deutlichsten: Die Zeichen stehen auf mehr Zusammenarbeit zwischen den drei großen Containerhäfen in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Ähnlich ist es bei den beiden IT-Dienstleistern dbh Logistics IT und Dakosy, die die Port-Community-Systeme für die deutschen Seehäfen zwar unter sich aufgeteilt haben, aber nun dennoch enger zusammenrücken.

„Letztlich haben mittlerweile wohl die meisten Menschen verstanden, dass unsere Wettbewerber vor allem die Westhäfen sind“, unterstreicht Holger Hübner. „In diversen Gesprächsrunden, zu denen auch die Vertreter von Dakosy und dbh eingeladen waren, ging es in den vergangenen Jahren darum, wie wir uns im Zuge der weiteren Digitalisierung intensiver abstimmen und besser aufstellen, um Mehrwerte für die deutsche Küste generieren zu können“, berichtet der Bereichsleiter Port Solutions bei dbh. Auf der Geschäftsleitungsebene der beiden Unternehmen wurde entschieden, den Freistellungsprozess für Importcontainer in den deutschen Seehäfen zu standardisieren und digitalisieren.

Erste Zusammenarbeit bereits 2010

Gleichwohl ist es nicht das erste Projekt, bei dem die beiden Unternehmen zusammenarbeiten. „2010 und 2011 hatten wir bereits gemeinschaftlich eine einheitliche Schnittstelle für unsere beiden Port-Community-Systeme erstellt“, berichtet Hübner. „Seitdem haben wir nahezu das gleiche Format, sofern das aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen in Bremerhaven, Bremen, Wilhelmshaven und Hamburg eben möglich ist.“ Mit der Digitalisierung und Standardisierung wird nun ein weiterer wichtiger Schritt gemeinsam getan.

Grundsätzlich funktioniert die Abnahme der Import-boxen so: Wenn der Container im jeweiligen Löschhafen eingetroffen ist, sendet der Spediteur eine Freistellungsanfrage an die Reederei. Sobald der Transport bezahlt wurde, stellt diese den Container frei und sendet dem Spediteur die sogenannte Freistellungsreferenz, die zur Abholung der Ware berechtigt. Der Spediteur beauftragt dann ein Fuhrunternehmen oder einen Bahnoperateur mit der Abholung des Containers vom Terminal und gibt dafür die Freistellungsreferenz an diesen weiter. Am Terminal muss sich der Dienstleister damit ausweisen, um den Container in Empfang nehmen zu können und zum Zielort zu transportieren. Da das Terminal parallel die Freistellungsreferenz direkt von der Reederei erhalten hat, kann es so prüfen, ob bei Abholung der Ware durch den Fahrer beide Referenzen übereinstimmen.

Bisher läuft dieser Prozess weitestgehend händisch. „Spediteur und Reeder kommunizieren in der Regel per Telefon, Fax oder E-Mail“, berichtet Franz Schwanke. Die Rückmeldung des Reeders an den Kunden erfolge dann per PDF mittels E-Mail. „Das ist unbefriedigend, weil die Freistellungsinfo zum Beispiel für den Transportauftrag weiterverwendet wird und dafür kopiert werden muss – inklusive der entsprechenden Übertragungsfehler“, so der Projektleiter Import Message Platform bei Dakosy. Zudem gibt es auch sicherheitstechnische Bedenken. „In diversen Gesprächen mit den Reedern hat sich gezeigt, dass die Verifizierung der Identität des Anfragenden oft nur unzureichend ist, obwohl die Referenz den Inhaber zur Herausgabe des Containers mit oft beachtlichen Warenwerten berechtigt“, berichtet Timo Köhler, Teamleiter Produkt- und Projektmanagement bei dbh.

Fehlerfrei und sicherer dank Digitalisierung

Dank Digitalisierung soll es das bald nicht mehr geben. Die teilnehmenden Reedereien und Spediteure werden dazu an die Plattform www.germanports.de angeschlossen – „ein echtes Novum in der Zusammenarbeit“, unterstreicht Köhler. „Die größeren Speditionen können eine gemeinsame EDI-Schnittstelle nutzen und kleinere das Portal direkt ansteuern.“ Wer eine Schnittstelle eingerichtet hat, schickt seine Anfrage dann an die Plattform oder gibt die Daten dort ein. Dann wird automatisiert eine E-Mail zur Freistellung an den Reeder generiert, sodass Übertragungsfehler ausgeschlossen sind.

Es gibt jedoch auch eine Herausforderung: „Gerade in den großen und international tätigen Reedereien sind viele IT-Abteilungen zentral aufgestellt und müssen in den Umsetzungsprozess eingebunden werden“, erklärt Hübner. Allerdings: „Durch die Zusammenarbeit haben wir hier nun eine ganz andere Power, wenn eine Schnittstelle und die damit verbundenen Codelisten dann gleich für alle deutschen Seehäfen gelten“, fügt Schwanke hinzu und betont: „German Ports könnte eine Blaupause für weitere europäische Häfen sein.“

Losgegangen ist es mit der ersten Nachricht im Probebetrieb bereits im Januar 2022. „Wir wollen nun die Prozesse validieren, die wir zuvor auf dem Reißbrett entworfen hatten“, sagt Hübner. „Im Laufe des ersten Quartals sollen dann zu den derzeit vier Reedereien weitere hinzukommen“, ergänzt Köhler. „Insgesamt rechnen wir mit 12 bis 15 Reedereien.“ Die Zahl der Spediteure liege im dreistelligen Bereich. „Viele davon wollten im Testbetrieb mitmachen“, so Köhler. Für die Terminals sei vor allem der Sicherheitsaspekt interessant, sagt Schwanke, und „Die bisherige Fehlerquote bei der Übermittlung der Freistellung liegt im niedrigen zweistelligen Prozentbereich – und das führt zu Verzögerungen. Der Logistikprozess wird also deutlich verbessert.“

Wenn die erste Stufe funktioniert, soll im Laufe des Jahres die Blockchain-Technologie zum Einsatz kommen. Dakosy hat die grundsätzliche Eignung und Praxistauglichkeit bereits im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen IHATEC-Forschungsprojekts „Robob“ bestätigt. „Denkbar ist damit sogar der Verzicht auf die Freistellungsreferenz mit Buchstaben und Ziffern, wenn stattdessen das Recht an einem Container in die Blockchain gestellt wird“, freut sich Schwanke. „Dadurch würde die Sicherheit noch weiter erhöht werden, wenn keine Referenz mehr weitergeleitet werden muss.“

Eine etwaige Fusion zwischen den Terminalbetreibern HHLA und EUROGATE ergibt für das Projekt übrigens keine Veränderungen. „Die Prozesse werden beibehalten, und für die Harmonisierung gibt es dann sogar noch einen Grund mehr“, betont Hübner. (cb)

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Holger Hübner, Bereichsleiter Port Solutions,

Holger Hübner, Bereichsleiter Port Solutions,
bei dbh Logistics IT

Timo Köhler, Teamleiter Produkt- und Projektmanagement, bei dbh Logistics IT

Timo Köhler, Teamleiter Produkt- und Projektmanagement, bei dbh Logistics IT

Fakten

dbh Logistics IT

Gründung: 1973
Firmensitz: Bremen
Mitarbeiter: 265
Umsatz 2020: 22,8 Millionen Euro

Dakosy Datenkommunikationssystem

Gründung: 1982
Firmensitz: Hamburg
Mitarbeiter: 200
Umsatz 2020: 30 Millionen Euro

Franz Schwanke, Projektleiter Import Message Platform bei Dakosy

Franz Schwanke, Projektleiter
Import Message Platform bei Dakosy