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Weiblicher Weitblick für Wilhelmshaven

Als Leiterin des Port Office Wilhelmshaven bei NPorts braucht Ilka Frerichs Hafenexpertise ganz unterschiedlicher Art. Denn am Jadebusen wird neben Containern von LNG über Chemikalien bis zu RoRo-Ladung eine große Bandbreite an Gütern umgeschlagen.

Fotos: Claudia Behrend, JadeWeserPort Wilhelmshaven/Björn Lübbe

Wenn Ilka Frerichs mit dem Zeigefinger auf der in ihrem Büro hängenden Luftaufnahme hin und her gleitet, wird schnell klar: Die Leiterin des Port Office hat nicht nur den gesamten Hafen Wilhelmshaven im Blick, sondern weiß auch auf den Punkt, was in jedem der ganz unterschiedlichen Teile passiert. Und der Hafen am Jadebusen ist weitaus größer und vielfältiger, als manche glauben.

„Ganz im Norden befindet sich der Außenhafen Hooksiel“, erzählt Frerichs, die seit September 2022 als jüngste Führungskraft bei NPorts das Port Office leitet. Bei den kleinen Fischerbooten und Kuttern, die auch bei Touristen beliebt sind, beginnt die große Palette der Hafenaktivitäten, für die sie und ihr 18-köpfiges Team verantwortlich sind. Und genau dort startete sie im Dezember zu ihrem bisher aufregendsten Tag bei NPorts.

„Bei winterlichen Temperaturen sind wir mit unserem Niederlassungsleiter Mathias Lüdicke auf unserem Mehrzweckschiff ‚Argus‘ dem LNG-Speicherschiff ‚Höegh Esperanza‘ Richtung Liegeplatz entgegengefahren“, erinnert sie sich. „Es war schon sehr beeindruckend, wie so ein Spezialschiff, bewacht von zehn Schnellbooten der Polizei und des SEK, an den Liegeplatz am Stichpier der Umschlagsanlage Voslapper Groden geleitet wurde, zu Deutschlands erstem LNG-Terminal“, so die Abteilungsleiterin, die in Elsfleth an der Jade Hochschule zunächst Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft studierte und anschließend ihren Master in Maritimem Management machte.

Wilhelmshaven zeichnet sich durch eine Vielfalt an Umschlagsgütern und eine große Bandbreite von unterschiedlichen Schiffstypen aus.

Eingespielte Prozesse am LNG-Terminal

Die LNG-Anlieferung laufe seither reibungslos: „Einmal pro Woche legt ein Tankschiff an und versorgt die ‚Höegh Esperanza‘ mit verflüssigtem Erdgas, die Abläufe sind gut eingespielt.“ Verantwortlich ist sie als Leiterin des Port Office aber auch für den anderen Liegeplatz an der Umschlagsanlage Voslapper Groden (UVG). Er wird von dem Chemieunternehmen Vynova genutzt und ist für den Umschlag von Ethylen und anderen chemischen Produkten ausgelegt.

Bald dürfte der nur wenig weiter südlich gelegene Hafenteil ebenfalls an überregionaler Bekanntheit gewinnen. Dort haben die Bauarbeiten für das zweite schwimmende LNG-Terminal durch den belgischen Betreiber Tree Energy Solutions (TES) begonnen, berichtet Frerichs. Anders als an der UVG kommt hier eine Technik ohne feste Brücke zum Einsatz. Dafür wird eine rund 1.800 Meter lange Anbindungsleitung auf und zum Teil unter dem Meeresgrund verlegt.

Noch etwas weiter südlich ragen die kürzlich gelieferten Containerkräne des rund 130 Hektar umfassenden Eurogate Container Terminals Wilhelmshaven JadeWeserPort (JWP) in den Himmel. Hier – im Äußeren Hafen – befindet sich Deutschlands jüngster Container- und einziger Tiefwasserhafen, an dem im vergangenen Jahr 683.403 Standardcontainer (TEU) umgeschlagen wurden. Direkt nebenan liegt das Bulk Terminal Wilhelmshaven (BTW) mit seinen drei Liegeplätzen – einer davon für die Abfertigung ultragroßer Massengutschiffe (ULBC).

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„Einmal pro Woche legt ein Tankschiff an und versorgt die ‚Höegh Esperanza‘ mit verflüssigtem Erdgas.“

Ilka Frerichs gehört zu den jüngsten Führungskräfte bei NPorts und leitet das Port Office in Wilhelmshaven.

Da immer mehr Großcontainerschiffe Wilhelmshaven anlaufen, werden die bestehenden acht Containerbrücken nun um elf Meter erhöht.

Von nationaler Bedeutung: die NWO-Pier

Die ebenfalls im Äußeren Hafen liegende Nord-West-Oelleitung (NWO)-Pier mit dazugehöriger Tankfarm und einem Umschlag von derzeit rund 20 Millionen Tonnen pro Jahr ist seit 1958 Deutschlands wichtigste Anlage für den Import von Mineralöl; sie wird allerdings nur im Rahmen behördlicher Tätigkeiten von den Nautikern vom Dienst mitbearbeitet. Ebenso liegt die Verantwortung für den Neuen Vorhafen mit dem Marinestützpunkt Heppenser Groden bei Fregattenkapitän Robert Uebe. Zu Frerichs’ Gebiet gehört jedoch auch der Flut- und Pontonhafen mit den Anlagen Nassauponton, Mittelbrücke, Wangeroogkai und Helgolandkai, wo vor allem Versorgungs- und Betriebsfahrzeuge wie das Seenotrettungsboot „Peter Habig“ der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) sowie Schiffe von Zoll und Lotsenversetzer liegen.

Im Inneren Hafen, der über eine Doppelkammer-Seeschleuse zugänglich ist, werden am Lüneburg- und Braunschweigkai vor allem Schüttgut, Kühlgut und Projektladung sowie rollende Ladung auf und von Car-Carriern umgeschlagen. Und auch von der Offshore-Industrie wird der tidefreie Hafenbereich als Basis- und Servicehafen genutzt. Zudem befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Hannoverkai die 1947 gegründete Neue Jadewerft, die seit 2021 zur Naval Vessels Lürssen Group gehört.

Fast 20 Kilometer sind es von der einen Grenze des von ihr verantworteten Hafengebiets bis zur anderen, weiß Frerichs, deren Aufgabe als Leiterin des Port Office erst kürzlich im Zuge der Verteilung der früheren Aufgaben des Hafenkapitäns auf NPorts und das Land Niedersachsen entstanden ist. Während alle hoheitlichen Aufgaben, wie etwa hafenbehördliche Erlaubnisse, und die Vertretung der Hafenbehörde bei Bauprojekten, beispielsweise dem neuen LNG-Anleger, nun beim Land Niedersachsen liegen, werden die privatrechtlichen Aufgaben von der Leiterin des Port Office bearbeitet. In Frerichs’ Team kümmern sich sechs Innendienstler um Sachgebiete wie den Küstenfunk, die Abrechnung und Kundenanfragen. Die sechs Kollegen im Außendienst sind für den Hafenbetrieb verantwortlich, darunter behördliche Schiffskontrollen, die Überprüfung der Hafenanlagen und die Hafenaufsicht. Drei weitere Mitarbeiter sind für die Gefahrgutkontrolle verantwortlich. Im Flut- und Pontonhafen ist ein Kollege für die Belange vor Ort zuständig. Zukünftig wird außerdem ein Port Facility Security Officer die Einhaltung des ISPS-Codes am Hannoverkai und der UVG-Brücke kontrollieren.

Der LNG-Anleger im Hintergrund ist der erste von sechs Flüssiggasterminals in Deutschland und wurde innerhalb von nur 194 Tagen gebaut.

Viel Koordination und Kommunikation

Zu Frerichs’ Aufgaben gehört vor allem die Koordination der Schichtgänge. „Die Kollegen sind alle motiviert, machen ihren Job und wissen, was zu tun ist“, unterstreicht sie. „Ich muss aber einen Blick darauf haben und beispielsweise neue Aufgaben verteilen.“ Außerdem kümmert sie sich um Kundenanfragen, etwa bei außergewöhnlicher Ladung, und um die längerfristige Nutzung von Liegeflächen. „Ich bin auch erste Ansprechpartnerin für übergeordnete Betriebsabläufe.“ Nicht zuletzt verantwortet Frerichs auch das Budget und die Statistiken, und sie ist Ansprechpartnerin für Externe wie das Havariekommando.

Mit der Arbeitsfülle umzugehen, zählt für Frerichs zu den größten Herausforderungen in ihrer neuen Funktion. „Ich muss dafür ganz andere Strukturen entwickeln.“ Zudem sei es ein Lernprozess, die Abläufe in der Abteilung noch besser zu verstehen, ebenso wie die Besonderheiten und die Kultur am Standort. Neu für sie ist auch der Umgang mit der Schichtarbeit des Teams, für die sie eigene Wege der Kommunikation finden musste. Hinzu komme der Fachkräftemangel, der die Nachbesetzung von zwei Stellen infolge rentenbedingter Abgänge und interne Wechsel nicht einfacher mache.

Seit dem 15. September hat Frerichs nun mit Marc Hoffmann eine Stellvertretung. Vielleicht klappt es bald besser, sich Zeit freizuschaufeln zur Begehung der Hafenanlagen und für Gespräche mit Kapitänen und Schiffsbesatzungen. Regelmäßig erfolgt eine seeseitige Befahrung der Hafenanlagen mit der „Argus“. „Da möchte ich künftig auch öfter mitfahren.“ Den Hafen hat Frerichs aber sowieso stets gut im Blick. (cb)

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